Brauch und Aberglaube

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Im Merkur an der Kassa will ein älterer Herr mit Bankomatkarte bezahlen, aber das Gerät hört nicht auf, ihn zu fuchsen.

Im Merkur an der Kassa will ein älterer Herr mit Bankomatkarte bezahlen, aber das Gerät hört nicht auf, ihn zu fuchsen. Die Schrift auf dem Automaten ist klitzeklein, das Ding piepst die ganze Zeit bedrohlich herum, es akzeptiert seine Karte nicht, dann doch, dann anscheinend doch wieder nicht. Etwas verzweifelt blickt der Arme nach hinten, und in der Schlange verfinstern sich schon die Gesichter, unangenehme Düsternis, Francisco Goya hätte uns gut malen können. „Das Gerät ist heute besonders gemein“, sage ich dem Mann, die Frau an der Kassa drückt irgendwelche Tasten, und plötzlich funktioniert es mit der Zahlung. Der Mann ist erleichtert, er wünscht mir ein gutes neues Jahr, ich danke und sage ihm, dass man sich das eh den ganzen Jänner wünschen könne. „Sauerkraut hatte ich heuer noch nicht“, lacht er, und ich lache mit ihm mit und tue so, als ob ich kapiert hätte, was er damit meint. Zurück im Büro helfen die Kollegen: Wünsche gelten bis zum Sauerkrautkonsum.

So lernt man auch in den Sparten Brauch und Aberglaube immer neue Dinge dazu, ich kenne ja in dieser Hinsicht fast nur die türkisch-nahöstlichen Interpretationen. Die Mama hat mir einmal nach einem Umzug ein Messerset geschenkt, um dann gleich nach der Übergabe „symbolische fünf Euro“ von mir einzukassieren, weil man sich anscheinend keine Messer schenken darf. Oder: Einen Ring übergibt man sich nicht einfach so, der Ring muss von Person eins auf den Tisch oder sonst wohin gelegt werden, damit ihn Person zwei von dort aufheben und erst dann bewundern kann. Wenn sich die Beteiligten nicht an diese Prozedur halten, werden sie bald streiten. Ob das auch für Eheleute gilt, weiß ich nicht, Kollegen waren da nicht so hilfreich wie beim Sauerkraut. Oder: Bevor wir uns auf Reisen begeben, kommt die Mama immer bis zur Eingangstür und schmeißt uns einen kleinen Kübel Wasser hinterher – das bedeutet: Gute Reise. Wenn ich Gäste mit in Vorarlberg habe, kläre ich sie diesbezüglich nie auf, weil die Mama steht bei der Abreise immer in der Einfahrt herum und wirft mit Wasser um sich, und die Blicke der Gäste, das ist immer ein schöner Moment.

E-Mails an: duygu.oezkan@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.01.2019)

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