Neuer Anlauf zum Sturz des Nicolás Maduro

Die Opposition strömte auf die Straßen von Caracas. Die Lage in Venezuela ist noch schlimmer als bei den Massendemos von 2017.
Die Opposition strömte auf die Straßen von Caracas. Die Lage in Venezuela ist noch schlimmer als bei den Massendemos von 2017.APA/AFP/LUIS ROBAYO
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Zum Jahrestag des Endes der Militärdiktatur probte die Opposition neuerlich den Aufstand gegen den Autokraten, der sein Land in die Misere geführt hatte. Die neue Galionsfigur Juan Guaidó beflügelt die Maduro-Gegner.

Wien/Caracas. Brennende Barrikaden, Molotowcocktails und Tränengasschwaden: Die Zusammenstöße zwischen Demonstranten, unter die sich in den Favelas Plünderer mischten, und den Sicherheitskräften in Caracas markierten das Fanal für neue Massenproteste gegen Präsident Nicolás Maduro in der Nacht zum Donnerstag. Die Bilder weckten Erinnerungen an die wochenlangen Unruhen vor bald zwei Jahren, die mehr als 120Todesopfer gefordert hatten. Auch gestern waren bereits mehrere Tote zu beklagen.

Der 61. Jahrestag des Endes der Militärjunta in Venezuela unter Pérez Jiménez sollte die Initialzündung für den Sturz des Maduro-Regimes sein, das das ölreiche Land in die Misere gestürzt hat – mit einer Hyperinflation von mehr als einer Million Prozent, gekennzeichnet von einem Mangel an Devisen, Lebensmitteln und Medikamenten sowie einer Drosselung der Ölproduktion um zwei Drittel. Die massive politisch-wirtschaftliche Krise hat bisher fast drei Millionen Venezolaner in die lateinamerikanischen Nachbarstaaten und nach Spanien getrieben.

Erst vor zwei Wochen hatte Maduro bei der Vereidigung zur zweiten Amtszeit geschworen, den „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ aufzubauen. Der Präsident, Nachfolger des charismatischen Caudillo Hugo Chávez, war im Vorjahr als Sieger einer Wahl hervorgegangen, die die Opposition weitgehend boykottiert hatte. Maduro hatte zuvor das Parlament entmachtet, in dem die Opposition eine Mehrheit hielt, und eine Verfassunggebende Versammlung eingesetzt.

Während die Oppositionsführer meist im Gefängnis sitzen, unter Hausarrest stehen oder ins Exil gegangen sind, hat sich in den vergangenen Wochen ein 35-Jähriger als neue Galionsfigur profiliert. Juan Guaidó, ein Wirtschaftsingenieur und früherer Studentenführer, profilierte sich als Maduro-Gegner. Als neuer Parlamentspräsident nur mit symbolischer Macht ausgestattet, bot er dem Regime indes die Stirn, bezeichnete Maduro als „Usurpator“ und hauchte der zersplitterten und erlahmten Opposition neue Energie ein. Vermummte Geheimdienstmitarbeiter zerrten ihn kürzlich aus seinem Pick-up auf der Autobahn, um ihn kurzzeitig festzunehmen.

Guaidó ließ sich nicht beeindrucken. Er rief dazu auf, eine Übergangsregierung zu installieren und Neuwahlen zu organisieren. Zugleich ist er Initiator der neuen Proteste gegen Maduro. Nach längerer Pause strömten Zehntausende auf die Straßen. Sie scheuten vor einer Konfrontation mit einer Gegendemo, der Polizei und den Colectivos, den paramilitärischen Motorradbanden, nicht zurück.

Trump-Vize schaltet sich ein

Vom Weltwirtschaftsforum in Davos meldeten sich besorgte lateinamerikanische Präsidenten zu Wort. Aus den USA schickte Vizepräsident Mike Pence eine Videobotschaft an das venezolanische Volk, in dem er Maduro als Diktator anprangerte und das Volk in seinem Aufstand bestärkte. Maduro streut ständig Putschgerüchte und sucht Beistand bei Moskau. Noch steht das Militär, deren Generäle er mit Schlüsselposten betraut hat, zum Großteil zu ihm. Doch es gibt Absatzbewegungen. Der Verteidigungsminister forderte ihn angeblich zum Rücktritt auf, und mehrere Nationalgardisten probten erst jüngst die Meuterei.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2019)

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