Gründung und Start-up

Cornelia Diesenreiter: Feinkost statt Biomüll

Im „Duden“ wird man das Wort „unverschwendet“ vergeblich suchen. Wofür es steht, ist dennoch jedem klar.
Im „Duden“ wird man das Wort „unverschwendet“ vergeblich suchen. Wofür es steht, ist dennoch jedem klar.Günther Peroutka
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Eine Unternehmerin wehrt sich mit einem in Österreich einzigartigen Konzept gegen Verschwendung von Obst und Gemüse.

Zu groß, zu klein, zu krumm, nicht schön genug oder einfach zu viel davon – was nicht entspricht, wird gnadenlos entsorgt. Laut WWF fallen in Österreich jährlich mehr als 577 Millionen Kilogramm an vermeidbaren Lebensmittelabfällen an, ein großer, wenn auch noch nicht bezifferter Teil davon in der Landwirtschaft. Es sind die hoch spezialisierten Anforderungen von Supermärkten und Konsumenten, die bereits bei kleineren landwirtschaftlichen Betrieben zu Überschüssen von bis zu 500 Kilogramm pro Tag führen. Das meiste wird weggeworfen.

„Nicht mit mir“, dachte sich vor einigen Jahren die punkto Ausbildung umtriebige Oberösterreicherin Cornelia Diesenreiter. Als gelernte Köchin mit Praxiserfahrung im Eventcatering war ihr das Thema vertraut. Es folgten ein Rechts- und Wirtschaftsstudium in Salzburg, Umwelt- und Bioressourcenmanagement an der Boku Wien, ein Masterlehrgang in nachhaltigem Produktdesign und ein Schlüsselerlebnis bei einem Praktikum in London: „Ich habe an einem Restmüllanalyse-Projekt teilgenommen. Ein berührender, bewusstseinsbildender Moment.“ Zurück in Österreich, begab sie sich auf die Suche nach einem Job im Bereich des nachhaltigen Umgangs mit Lebensmitteln. Die ernüchternde Erkenntnis – „da gab es nichts“ – war der Auslöser für den Entschluss, sich selbstständig zu machen. Eine Herzensangelegenheit: „Ich hatte nie geplant, Unternehmerin zu werden. Es war meine Leidenschaft für das Thema, die mich dazu gebracht hat, den Schritt zu gehen.“

Am Anfang stand ein Zero-Waste-Projekt samt fünfzeiliger Notiz in einer Tageszeitung. „Das Echo war überwältigend. Mein Telefon hörte nicht mehr zu klingeln auf. Ich musste meine Initiative auf größere Beine stellen.“ Im März 2016 gründete Diesenreiter das Start-up Unverschwendet, um sich fortan der Mission zu verschreiben, Obst und Gemüse, die normalerweise weggeworfen werden, zu Genussprodukten zu verarbeiten. Waren es anfänglich nur ein paar Hundertschaften an in Gläschen verpackten Feinkostspezialitäten, so wurden 2018 bereits knapp 100.000 produziert. Was bislang als Überschuss im Müll landete, wird nunmehr zu Marmelade, Sirup, Chutneys, Eingelegtem, Süß-Saurem, Senf, Saucen und anderem mehr. Der Verkauf findet am Standort Schwendermarkt in Wien, im eigenen Onlineshop sowie in ausgewählten Supermärkten und Feinkostläden statt. Bei der Erfolgsgeschichte des außergewöhnlichen Start-ups scheint aber erst ein Anfangskapitel geschrieben zu sein. „Wir haben 2018 rund eine Million Kilogramm an Überschüssen von landwirtschaftlichen Betrieben im Großraum Wien angeboten bekommen, konnten aber nur fünf Prozent davon verarbeiten.“

Obst, Gemüse an die „Börse“

Die Expansionspläne für das Unternehmen, das sie gemeinsam mit ihrem auf Grafik-, Medien- und Marketingagenden spezialisierten Bruder Andreas führt, haben viele Gesichter. Eine Aufstockung des aktuell fünfköpfigen Vollzeitteams, um größere Mengen verarbeiten zu können, ist nur einer der geplanten Schritte. 2019 hat Diesenreiter vor allem die Entwicklung einer Obst- und Gemüsebörse im Visier, um Überschuss produzierende Landwirte mit Gastronomie- und Cateringbetrieben zu verlinken. Die Plattform für den neuartigen Marketplace ist bereits in der Pilotphase. Auch für die Gründerin wird sich der Berufsalltag weiter verändern. Von der Idee, selbsttätig alles zu verarbeiten, hat sie sich schon im Vorjahr verabschiedet. Das neue Konzept, mit Spezialproduzenten zu kooperieren, wird weiter ausgebaut. Der Weg vom Herd zum Laptop ist dem Erfolg geschuldet. Aus der gelernten Köchin ist eine Strategin geworden, jemand, der von der Sache im positiven Sinne des Wortes „getrieben“ wird: „Es geht uns nicht darum, die Schuldigen im komplexen Konstrukt unserer Welt zu suchen und zu belehren, sondern aufzuklären und eine gute und nachhaltige Lösung anzubieten.“

INFORMATION

Wettbewerb. „Die Presse“ und Frau in der Wirtschaft (FiW) zeichnen zum fünften Mal die besten Unternehmerinnen Österreichs aus. Der Award, unterstützt von der Wiener Städtischen Versicherung und The Ritz-Carlton Vienna wird in vier Kategorien vergeben: Gründung und Start-up, Export, Besondere unternehmerische Leistung, Innovation. Die Jury: WKÖ-Vizepräsidentin und FiW-Bundesvorsitzende Martha Schultz, Wiener-Städtische-Vorstandsdirektorin Christine Dornaus, Award-Mitinitiatorin Eva Komarek (Styria), Fotografin Inge Prader, Regina Mittermayer-Knopf, GF von Loomis, und Rainer Nowak, Chefredakteur, Herausgeber und GF der „Presse“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2019)

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