Live aus Davos: "Arbeite mit Menschen, die klüger sind als du", sagt Jack Ma

Jack Ma, Alibaba, in Davos
Jack Ma, Alibaba, in DavosAPA/AFP/FABRICE COFFRINI
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Davos-Tagebuch. Der Wiener Francis Rafal ist einer von 50 Menschen unter 30 Jahren, die beim World Economic Forum die Stimme der Jungen vertreten sollen. Mittwoch - Tag 3.

Mittwoch, 23. Jänner 2019

08.32 Uhr: Bus vom Hotel nach Davos. Meine Frühstücks-Session um 07.00 Uhr habe ich geschwänzt, weil ich gestern bis ein Uhr im Hotel Steigenberger Belvedere unterwegs war. Ich habe Wyclef Jean bei der Washington-Post-Feier bei einem Kopfstand geholfen, danach war Networking beim Empfang mit bayrischer Volksmusik. Davos bei Nacht fühlt sich ein bisschen an wie eine Maturareise für die globale Elite.

09.15 Uhr: Center Hub, Kongresszentrum. Diskussion über Strategien für die Nutzung von Drohnen. Rehan Assad vom Welternährungsprogramm erzählt, dass sie mit Drohnen über schwerzugängliche Katastrophengebiete fliegen, um so schnell wie möglich den Schaden zu bewerten und Landepunkte für Lebensmittel zu finden. Sie liefern mit Drohnen mittlerweile auch Impfstoffe in Hochsicherheitsgebiete. Unbemannte Luftfahrzeuge sind keine Zukunftsmusik, sondern Realität. Ein Besucher fragt, wie man Flugstörungen durch Drohnen wie am Londoner Flughafen Gatwick in Zukunft verhindern kann. Assad antwortet, man müsse technisch eine Möglichkeit schaffen, Drohnen aus der Ferne kontrolliert zum Absturz zu bringen.

10.05 Uhr: Central Lounge. Geschätzte 200 Menschen am Laptop. Sie tanken Strom und Kaffee. Ich nutze mein 40-minütiges Terminloch, um kurz zu arbeiten. Meine Teammitglieder in Österreich und Deutschland halten mir zum Glück den Rücken frei, damit ich hier voll präsent sein kann. Mails muss ich trotzdem beantworten. 

10.45 Uhr: „Hallo Davos, seid ihr glücklich?“ SRF-Moderatorin Patricia Laeria eröffnet die Diskussionsrunde „Mehr als BiP“. Die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern erzählt, dass laut Wirtschaftsdaten Neuseeland gut dasteht. Trotzdem gibt es Obdachlose und Kinderarmut. Deswegen werde im neuen Haushalt der Fokus auf das Wohlbefinden der Bevölkerung gelegt. Die Vereinigten Arabischen Emirate gehen noch einen Schritt weiter. Seit 2016 ist Ohoud Al Roumi dort Ministerin für Glück und Wohlbefinden. Sie erklärt, dass jede politische Maßnahme einer Kosten-Nutzen-Analyse für Wohlbefinden unterzogen werden muss. Das ganze Podium ist sich einig, dass das BiP als Messgröße zwar bleiben wird, aber in Zukunft viel mehr Faktoren gemessen werden müssen. Al Roumi schließt ab mit einer Einladung an alle Staaten: „Tretet der Global Happiness Coalition bei.“

12.00 Uhr: Fragerunde mit MIT-Professor Joshua Tenenbaum. Er arbeitet an einer künstlichen Intelligenz, die so lernt wie ein einjähriges Kind. Das Gehirn eines Säuglings sei nämlich das einzige bekannte System, das im Laufe der Zeit Intelligenz auf menschlichem Niveau entwickelt. Eine Teilnehmerin fragt, ob wir diese Art künstlicher Intelligenz überhaupt wollen. Tenenbaum entgegnet, dass für eine bessere Interaktion zwischen Mensch und Maschine, eine menschenähnliche Intelligenz notwendig ist. Ob in zwanzig Jahren in Davos Roboter neben uns sitzen werden, wisse er aber nicht. 

12.45 Uhr: Schlange vor dem Salon im Kongresszentrum. Young Global Leaders und Global Shapers hoffen darauf, einige der wenigen Plätze für die nächste private Session zu ergattern. Ich darf hinein, weil ich einer der ersten war, der sich online registriert hat. 

13.00 Uhr: Jack Ma von Alibaba betritt den Raum. Applaus. Die nigerianische Shaperin Olajumoke Adekeye moderiert die Fragerunde mit dem Gründer der größten B2B-Handelsplattform der Welt. Er spricht in simplen Sätzen, aber antwortet auf alle Fragen: Arbeite mit Menschen, die klüger sind als du. Mach dir nachts keine Sorgen. Wenn du ausgeschlafen bist, kannst du morgen besser kämpfen. Lernen von den Fehlern anderer. Nicht um sie zu vermeiden, sondern um dich auf die Situation vorzubereiten, wenn du dieselben machst. Seine Einstellung zu Unternehmertum und Bildung kenne ich schon aus Videos. Aber ihn in echt zu treffen, zeigt mir, dass er ein ganz normaler Mensch ist. 

14.08 Uhr: Ich treffe Jack Ma wieder auf der Toilette. Ein ganz normaler Mensch.

14.15 Uhr: Große Halle. Klaus Schwab begrüßt Angela Merkel auf der Bühne. Sie schaut in echt genauso aus wie im Fernsehen. Eine halbe Stunde lang hält Sie ein Plädoyer für Multilateralismus. Die Alternative, nur auf sich selbst zu schauen und darauf zu hoffen, dass die Welt besser wird, sieht sie skeptisch. Sie erzählt stolz vom Aachener Vertrag, den sie gestern mit Emmanuel Macron unterzeichnet hat, um in einer Zeit von Unsicherheit ein positives Signal zu setzen. Im Bezug auf die Energiewende spricht sie die Problematik an, dass durch Deutschlands Atomausstieg und den zukünftigen Kohleausstieg Erdgas importiert werden muss, um den Energiebedarf zu decken. Aus allen drei Bereichen auf einmal auszusteigen wird sie aber nicht tun. Das würde vielleicht andere Staaten freuen, aber soweit wolle sie mit ihrem Multilateralismus doch nicht gehen.

17.58 Uhr: Community Lounge. Ich bin schon ziemlich spät dran mit dem Artikel für heute. Mein Kopf brummt, weil das ständige Notizenschreiben auf dem Handy eine Herausforderung ist. Shaper-Kollegen entspannen sich auf der Couch und laden ihre Laptops und Handys. Ich glaube, für heute lasse ich’s sein. 


Francis Rafal (26) ist Co-Founder und CEO der drei Filmunternehmen Content Creation School, Ninjawerk und Rafal Studios und derzeit Curator der Global Shapers Vienna. Er wurde dieses Jahr als einer von 50 Menschen unter 30 ausgewählt, junge Stimmen beim jährlichen Treffen des World Economic Forum in Davos zu vertreten. Ziel der Global Shapers Vienna ist es, Filterblasen platzen zu lassen. Mit dem Projekt AndereMeinung.at verbinden sie Menschen mit unterschiedlichen Meinungen, um die politische Polarisierung der Gesellschaft zu reduzieren.

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