"Recht muss Politik folgen": Neos kündigen Misstrauensantrag gegen Kickl an

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"Dieser schlamperte Umgang mit der Verfassung muss einmal ein Ende haben", fordert Neos-Chefin Meinl-Reisinger. FPÖ-Generalsekretär Hafenecker und Verteidigungsminister Kunasek rechtfertigen das Vorgehen des Innenministers.

Die Neos haben gegen Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) einen Misstrauensantrag angekündigt. Grund hierfür seien dessen Aussagen zum Rechtsstaat, sagte Parteichefin Beate Meinl-Reisinger am Donnerstag. Empört zeigte sie sich auch über die "Relativierungsversuche" seitens der Regierungskoordinatoren Gernot Blümel (ÖVP) und Norbert Hofer (FPÖ).

Kickl hatte am Dienstagabend im ORF-"Report" angekündigt, Grundregeln hinterfragen zu wollen, denn, man müsse darauf achten, nicht über die eigenen Gesetze zu stolpern. Vielfach seien dies in den Augen Kickls "irgendwelche seltsamen rechtlichen Konstruktionen, teilweise viele, viele Jahre alt aus ganz anderen Situationen heraus entstanden", über die er eine Debatte führen möchte: "Denn ich glaube immer noch, dass der Grundsatz gilt, dass das Recht der Politik zu folgen hat und nicht die Politik dem Recht", bekundete er - und erntete umgehend Kritik seitens der Opposition sowie Rückendeckung aus der FPÖ. Aus den Reihen des Koalitionspartners ÖVP meldet sich unter anderem Justizminister Josef Moser zu Wort, der betonte: "In einem Rechtsstaat steht das Recht an oberster Stelle: 2In der österreichischen Verfassung sei klar geregelt, dass die gesamte Verwaltung nur auf Basis der Gesetze ausgeübt werden dürfe. "Ich bin mir sicher, dass auch der Bundesminister Kickl sich daran halten wird", so Moser.

Zuletzt bezog auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen Position. "Die Europäische Menschenrechtskonvention steht in Österreich seit 59 Jahren im Verfassungsrang. An ihr zu rütteln, wäre eine Aufkündigung des Grundkonsenses der Zweiten Republik", teilte er mit.

Meinl-Reisinger: "Keine Achtung vor Bundesverfassung"

"Wir werden einen Misstrauensantrag einbringen", der Zeitpunkt hierfür steht noch nicht ganz fest, "im Idealfall wollen wir das nächste Woche auf den Weg bringen", sagte nun Meinl-Reisinger am Donnerstag. "Ich fand das unfassbar", kommentierte sie Kickls Auftritt im ORF. "Es offenbart, dass er keine Achtung vor der österreichischen Bundesverfassung hat. Auch die Relativierungsversuche empören mich", betonte die Neos-Chefin.

Lediglich Justizminister Moser habe Kickls Aussagen zurückgewiesen, hob sie hervor. Nicht Kickl als Minister mache die Gesetze, sondern habe sich an diese zu halten: "Dieser schlamperte Umgang mit der Verfassung muss einmal ein Ende haben", forderte sie daher. In ganz Europa gebe es derzeit einen Kampf zwischen einem autoritären Politikverständnis und der liberal demokratischen Grundordnung: "Es braucht eine klare Haltung."

uniko-Präsidentin ortet "Gefahr für die Demokratie"

"Gefahr für die Demokratie" ortet auch Rektorin Eva Blimlinger, Präsidentin der Österreichischen Universitätenkonferenz (uniko): "Selbstverständlich hat sich die Politik dem Recht unterzuordnen, das ist das Fundament der österreichischen Bundesverfassung und das wird auch an den österreichischen Universitäten gelehrt und darf keinesfalls in Zweifel gezogen werden", erklärte Blimlinger in einer Aussendung.

"Ich finde es unerträglich, wenn die Grundsätze der Europäischen Menschenrechtskonvention infrage gestellt werden. Das ist eines Rechtsstaates unwürdig", sagte am Donnerstag der Präsident der Wiener Rechtsanwaltskammer, Michael Enzinger. Für Friedrich Forsthuber, Obmann der Fachgruppe Strafrecht in der Richtervereinigung, hat Kickl am "Wertegerüst unserer Rechtsordnung" gerüttelt: "Die Grundprinzipien des demokratischen Rechtsstaates sind klar definiert. Es gibt keine Demokratie light, keine Menschenrechte light." Der Innenminister habe offenbar "ausgelotet, was in einem gewachsenen demokratischen Rechtsstaat an Äußerungen der Bevölkerung zumutbar ist". Das verankerte Verständnis von Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaat müsse vor allem auch seitens der Zivilgesellschaft verteidigt werden, gab Forsthuber zu bedenken: "Ich klage an, wenn Äußerungen getätigt werden, wie dass das Recht der Politik zu folgen hat."

Nachschlag bei FPÖ-Rückendeckung

Seitens der FPÖ rückten indes am Donnerstag weitere Vertreter zu Kickls Verteidigung aus. Generalsekretär Christian Hafenecker etwa betonte in einer Aussendung, der Innenminister handle im Auftrag des Wählers und nicht auf Zuruf der Opposition. Auch Verteidigungsminister Mario Kunasek konnte die Aufregung nicht nachvollziehen: "Dass Gesetze nun einmal im Parlament mit demokratischen Mehrheiten beschlossen werden, müssen auch jene linken Fantasten akzeptieren, die den Kurs der Bundesregierung nicht mittragen."

(APA/Red. )

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