Weil das Wetter nicht mitspielt, findet die Abfahrt in Kitzbühel bereits heute statt. Bei den Rennläufern war also Improvisation gefragt, Hannes Reichelt zeigte mit Trainingsbestzeit auf.
Plötzlich hatte es Max Franz sehr eilig. Der Sponsor-Termin am Donnerstagnachmittag in der Kitzbüheler Innenstadt hatte gerade erst bekommen, da erfuhr er wie alle anderen Anwesenden von der Juryentscheidung. Da die Wetterprognose für Samstag Schneefall und Regen prophezeit hat, wurde kurzerhand das traditionelle Programm des Hahnenkamm-Wochenendes umgekrempelt. Den Auftakt macht gleich heute (11.30 Uhr, live, ORF eins) der Abfahrtsklassiker auf der Streif, am Samstag folgt der Slalom, den Abschluss am Sonntag bildet der Super-G.
„Die Radln gehen jetzt schon, ich bin gerade ein bisschen im Stress“, gestand Franz. Sein ursprünglicher Plan für den Abend war damit auf einen Schlag hinfällig, Videostudium und Skiauswahl mussten vorgezogen werden. Aus diesem Grund verabschiedete sich der Kärntner bereits nach wenigen Minuten wieder. „Ich muss jetzt mit den Serviceleuten reden“, entschuldigte er sich.
Reichelt will nicht „korken“
Vom Sonnenschein der Vortage war schon bei der zweiten Trainingseinheit nichts mehr zu sehen, bei schwierigen Sichtbedingungen markierte Hannes Reichelt dennoch Bestzeit in 1:57,41 Minuten. „Ein bisschen Selbstvertrauen schadet mir nach den letzten Rennen nicht“, meinte der Routinier. Dass er seine Trümpfe womöglich zu früh ausgespielt hat, befürchtete er nicht. „Ich habe nicht alles erwischt. Da ist noch Luft nach oben.“ In der Favoritenrolle sieht er dennoch Beat Feuz, Dominik Paris oder Landsmann Vincent Kriechmayr, der zuletzt in Wengen gewonnen hat. „Da haben einige geblufft und taktiert.“
Dass Reichelt die Streif zähmen kann, hat er 2014 bewiesen, als er trotz Bandscheibenvorfall sensationell zum Triumph fuhr – der bislang letzte österreichische Abfahrtssieg in Kitzbühel. „Die äußeren Umstände haben es damals schon sehr speziell gemacht“, erzählte der 38-Jährige. Den schweren Sturz 2016 hat er hingegen abgehakt. „Ich habe das genau analysiert. Damals waren die Sichtverhältnisse miserabel. Das muss erst wieder eintreten, dass ich mir Gedanken machen würde.“ Obwohl die Piste nach der Mausefalle ruhiger geworden sei, mache sie seinem Körper zu schaffen. „Gut tut das nicht, aber derweil habe ich es im Griff“, sagte der Salzburger und nahm den Vergleich mit reifendem Wein mit Humor: „Hoffentlich fange ich nicht zum Korken an.“
Kriechmayrs breite Brust
Matthias Mayer, der am Dienstag noch Bestzeit markiert hatte, war mit der zweiten Trainingsfahrt nicht ganz zufrieden. Der Kärntner Olympiasieger (35., +3,10 Sek.) haderte mit fehlendem Grip: „Die Abstimmung hat nicht ganz so gepasst.“ Dennoch rechnete er sich Chancen aus: „Im Rennmodus ist sicher einiges möglich, nach unten hinaus war es nicht so schlecht.“ Zurückhaltung ist trotz der Ausfälle zuletzt in Wengen und Gröden weiterhin nicht Mayers Sache. „Wenn man ganz vorn dabei sein will, muss man Risiko eingehen.“
Auch Wengen-Sieger Vincent Kriechmayr (11.; +1,11 Sek.) blieb nicht fehlerfrei, touchierte einmal sogar die Bande. „Es gilt einiges zu verbessern. Skifahrerisch ist das noch nicht das, was es braucht“, erklärte der Oberösterreicher. Den Sieg vergangene Woche in Wengen hat er nur kurz genossen. „Ich kann mich nicht auf die Vergangenheit konzentrieren. Kitzbühel braucht hundert Prozent, den vollen Fokus“, betonte der 27-Jährige. Dass er als einer der Favoriten gehandelt wird, sah Kriechmayr gelassen. „Natürlich war ich das letzte Mal der Schnellste, aber ich muss mich aufs Neue beweisen“, erklärte er. „Es gibt in Kitzbühel einige Favoriten, und ich zähle mich selbst auch dazu.“
AUF EINEN BLICK
Wetterkapriolen zwangen die Kitzbühel-Veranstalter zur Umplanung der 79. Hahnenkammrennen. Die Abfahrt findet bereits heute (11.30 Uhr) statt, der Slalom am Samstag (9.30/12.30 Uhr), und der Super-G soll am Sonntag (13.30 Uhr, jeweils live, ORF eins) folgen.
ÖSV-Starter in der Abfahrt: Mayer, Kriechmayr, Franz, Reichelt, Striedinger, Walder, Danklmaier, Kröll, Neumayer.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2019)