Griechische Sparer plündern Konten

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Die Risikoaufschläge auf Staatsanleihen erreichen ein neues Rekordhoch. Die allgemeine Verunsicherung macht jetzt nicht nur internationale Investoren, sondern auch die griechischen Anleger nervös.

Wien (gau). Die allgemeine Erleichterung über den EU-Notfallplan für Griechenland währte nur kurz. Was vor eineinhalb Wochen noch wie ein tragfähiges Sicherheitsnetz für den südeuropäischen Pleitekandidaten aussah, ist in den Augen der Finanzmärkte heute nur noch ein unübersichtliches Flickwerk, dass an einigen Stellen leicht reißen könnte.

Zu viele Fragen sind offen geblieben: Wann ist der Moment gekommen, an dem die Europartner einspringen müssen? Wie hoch werden die Zinsen sein, die sie für ihre Überbrückungskredite verlangen? Wie passt der Internationale Währungsfonds (IWF), der im Notfall ein Drittel der Lasten übernehmen soll, in das Konzept?

Die allgemeine Verunsicherung macht jetzt nicht nur internationale Investoren, sondern auch die griechischen Anleger nervös. Eine Studie der deutschen Commerzbank und der britische „Telegraph“ berichten von einer massiven Kapitalflucht der Sparer. Als Quelle werden Daten der griechischen Notenbank genannt.

Im Jänner und Februar seien acht Mrd. Euro von inländischen Instituten abgezogen worden, das entspricht vier Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. Vor allem wohlhabende Sparer bringen demnach ihre Schäfchen ins Trockene. Weil sie einen Bankrott ihrer Bank befürchten, transferieren sie ihre Ersparnisse zu Filialen der britischen HSBC oder der französischen Société Générale.

Hellas als „Schwellenland“

Oder sie gehen ganz ins Ausland, zu Banken in der Schweiz oder auf Zypern. Dahinter steht auch die Angst, dass der Staat zur Linderung seiner Budgetnöte bald kräftig die Steuern erhöhen wird.

Fehlen aber die Einlagen, können die einheimischen Banken nicht das Kreditvolumen erhöhen – in Zeiten harter Sparprogramme der einzige Weg, eine scharfe Rezession zu vermeiden. Die Commerzbank-Analysten sprechen von einer Panikreaktion, die man sonst nur von Bankenkrisen in Schwellenländern wie Argentinien kennt, nicht aber aus entwickelten Industriestaaten.

Doch gerade dieser Eindruck scheint der Regierung in Athen gar nicht unrecht zu sein. Der „Financial Times“ haben Beamte des Finanzministeriums verraten, dass ihr Chef Ende April auf Roadshow in die USA gehen wird, um eine Dollaranleihe zu bewerben – die erste seit Mitte 2008.

Dabei wolle er Hellas als Schwellenland präsentieren, um auch das Interesse von Spezialisten für Emerging-Market-Anleihen zu wecken. Sie suchen hohe Zinsen in riskanten Ländern. Und in dieser Hinsicht spielt Griechenland tatsächlich in einer Liga mit Argentinien, Mexiko oder Polen. Deren Risikoaufschläge sind mittlerweile sogar deutlich niedriger als die Spreads auf griechische Staatsanleihen, die am Mittwoch einen neuen Rekordstand erreichten. Die Renditen lagen bei den zehnjährigen Schuldverschreibungen 412 Basispunkte über den deutschen Bonds (im vorigen Sommer waren es erst 100 Punkte). Gut möglich, dass die Händler hier die unbekannte Toleranzgrenze der Eurozone austesten: Bei welchem Aufschlag springen Deutschland und Frankreich ein?

Riskantes Spiel der Banken

Denn die Kurse geben an, welche Zinsen Athen im Mai anbieten muss, um umschulden zu können. Dann sind Anleihen um 20 Mrd. Euro zurückzuzahlen und durch neue Schuldscheine zu ersetzen. Mit Zinsen von sieben Prozent ist das Budget aber kaum noch sanierbar – zu viel Geld fließt dann in den Schuldendienst.

So ist es kein Wunder, wenn viele Investoren das Vertrauen in die Hellas-Bonds verlieren und der bedrängte Staat sich um neue Zielgruppen umsehen muss. Im Jänner ging eine Neuemission noch weg wie warme Semmeln. Käufer für weitere Tranchen kamen zuletzt im großen Stil nur noch vom Heimmarkt: ausgerechnet von griechischen Banken.

Sie besorgten sich in den letzten Monaten billiges Geld der Europäischen Zentralbank und investierten es mutig in heimische Staatsanleihen. Ein vordergründig lukratives, aber höchst riskantes Geschäft. Und es sieht danach aus, als würden ihnen die Kunden nun die Rechnung dafür präsentieren.

Auf einen Blick

Griechische Sparer haben in zwei Monaten acht Mrd. Euro von ihren Konten bei griechischen Banken abgezogen. Sie bringen ihr Geld zu Filialen internationaler Institute oder ins Ausland. Dahinter steht die Furcht vor Steuererhöhungen und einem Bankrott der einheimischen Banken, die mit billigem EZB-Geld in griechische Staatsanleihen investiert haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.04.2010)

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