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Wer will schon einem Herbert Kickl folgen?

APA/GEORG HOCHMUTH
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Mediator Der Innenminister hat sich im ORF-»Report« seltsame Gedanken über Politik und Recht gemacht. Seriöse Leitartikler sind empört über den verächtlichen Ton und sein Schüren von Angst. Vielleicht hat Kickl zu viel von Carl Schmitt gelesen.

Wenn Österreichs Innenminister, Herbert Kickl, im ORF auftritt, ist es meist eine Hetz. Der freiheitliche Mann fürs Grobe hat nämlich Wendungen parat, bei denen man oft nicht genau weiß, ob sie ernst gemeint sind oder bloß eine recht verklemmte Fehlleistung. Ziemlich sicher aber dienen solche Sager als Ablenkung und werden von willigen Journalisten apportiert. Dann diskutiert man zum Beispiel statt über die Steuerreform tagelang darüber, ob das Wort „konzentriert“ politisch korrekt sei.

Diese Woche wurde von Kickl im „Report“ behauptet, dass das Recht der Politik zu folgen habe, nicht die Politik dem Recht. Die mediale Konsequenz: eine Fülle staatstragender Kommentare, die auch der „Mediator“ aufgreift – auf die Gefahr hin, dass Geheimdienstmachenschaften im Innenministerium so noch stärker verdrängt werden.

Die „Oberösterreichischen Nachrichten“ zitieren den einstigen FP-Chef Jörg Haider (†) zu dessen „Gagschreiber“: Dieser sei „ein Zerstörer, kein Gestalter“. Für die „OÖN“ steht fest, „dass Kickl seit jeher ein Grenzgänger ist. Der frühere ÖVP-Justizminister Wolfgang Brandstetter sah ihn 2015 außerhalb des Verfassungsbogens.“

Nun sorge Kickl wieder für Empörung, aber: „Seine Anhänger freuen sich über solche Provokationen. Sie verehren ihn als frechen Freiheitlichen, der sich nicht vom Ministeramt domestizieren lässt.“ Für die ÖVP könne er allerdings zum Problem werden: „Bürgerlich-liberale Wähler wollen nicht ständig Radau und Tabubrüche.“

Probleme mit dem Freiheitlichen hat auch die „Kleine Zeitung“. Kickl sei „nicht Kämpfer für, sondern gegen Recht und Ordnung“, heißt es im Leitartikel. Vieles spreche dafür, dass die Provokation keine Entgleisung war, sondern „alles einem stillen Drehbuch folgt“. Vizekanzler und Verkehrsminister gäben das „zivilisierte Gesicht der FPÖ“, während der Innenminister für die alte FPÖ stehe. Kickls Auftritt im „Report“ sei „von rüder Respektlosigkeit getragen“ gewesen. Den Kommentator stört vor allem der verächtliche, kaltschnäuzige Ton, „mit dem der Innenminister wiederholt die Fundamente der Rechtsstaatlichkeit anbohrt . . .“

Ähnlicher Meinung sind die „Salzburger Nachrichten“. Kickl rüttle am Rechtsstaat, wird Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk zitiert. Der Leitartikel empfiehlt Wachsamkeit: „Dunkel erinnert man sich an Zeiten und an Regime, wo es nicht Recht und Gesetz waren, die an oberster Stelle standen und von dort das staatliche Handeln bestimmten, sondern der vorgebliche Wille einer Volksgemeinschaft.“

Harte Kritik auch im „Standard“: Im Leitartikel wirft das Blatt Kickl vor, dass er sein Ministeramt so aggressiv führe wie früher die FPÖ-Wahlkämpfe. Seine Aufgabe sei es, den Menschen in Österreich Sicherheit zu geben. „Das tut Kickl allerdings nicht. Er arbeitet weiter mit Angst, ganz so, als müsse er Oppositionspolitik betreiben.“ Die Botschaft: Nur er könne das (eingeborene) österreichische Volk beschützen. „Dafür würde er leichten Herzens den geltenden Rechtsstaat über Bord werfen“, mutmaßt die Kommentatorin.

„Der Führer schützt das Recht“. Das sind lauter schwere Vorwürfe. Vielleicht hat der ehemalige Student der Philosophie aber einfach nur zu viel Bösartiges vom deutschen Staatsrechtler und NS-Apologeten Carl Schmitt gelesen, etwa den Artikel „Der Führer schützt das Recht“ vom 1. August 1934 in der „Deutschen Juristen-Zeitung“. Es ging darin, kurz nach dem sogenannten Röhm-Putsch (der Ermordung der SA-Spitze), um eine Rechtfertigung des Ausnahmezustands. Schmitt schrieb: „Der Führer schützt das Recht vor dem schlimmsten Missbrauch, wenn er im Augenblick der Gefahr kraft seines Führertums als oberster Gerichtsherr unmittelbar Recht schafft . . . Der wahre Führer ist immer auch Richter. Aus dem Führertum fließt das Richtertum.“
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