Die Mathematik-Matura - eine Wellenbewegung

Die Presse (Clemens Fabry)
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Auf ein gutes Maturajahr folgte stets ein schlechtes. Das entsprach der politischen Logik. Doch welche Bildungsziele will sich die Gesellschaft eigentlich stecken?

Starten wir aus gegebenem Anlass mit einem Rechenbeispiel in die neue Woche: In Österreich fielen bei der Premiere der Zentralmatura im Jahr 2015 nur 10,5 Prozent der AHS-Schüler durch die schriftliche Mathematik-Prüfung. Ein Jahr später, 2016, kassierten allerdings 21,8 Prozent der Maturanten einen Fünfer. 2017 sank die Fünfer-Quote dann wieder auf 11,8 Prozent, um im Vorjahr, also 2018, wieder auf 22,4 Prozent zu steigen. Interpretieren Sie die vier Prozentzahlen im gegebenen Kontext und schätzen Sie, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass die heurige Mathematikmatura einfach sein wird!

Die richtige Antwort ist: sehr hoch. Auf ein Jahr mit (zu) schwierigen Maturaaufgaben, musste immer noch ein Jahr mit (zu) leichten Beispielen folgen. Das entsprach offenbar der politischen Logik. Die Mathematik-Zentralmatura sollte nicht pausenlos, also jedes Jahr, für Aufregung sorgen. Alle zwei Jahre reicht ja auch schon. Für die Schüler ist die Matura so weniger zum verlässlichen Leistungsnachweis und mehr zum riskanten Glücksspiel geworden. Der Jahrgang hat entschieden. Das hat die Politik in Kauf genommen.

Heute Vormittag wird Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) Maßnahmen zur Verbesserung der Zentralmatura im Fach Mathematik präsentieren. Sie soll künftig  "nicht unbedingt leichter, aber fairer" sein. Dazu sollen die Texte und Aufgabenstellungen verständlicher werden. Das kann ein erster Schritt sein - aber sicherlich nicht der letzte.

Es muss eine (neuerliche) Debatte darüber geben, was die Gesellschaft als unverhandelbare Bildungsziele sieht. Denn darüber scheint man sich derzeit alles andere als einig zu sein. Während man im Ministerium verspricht, durch die Zentralmatura die mathematischen Grundkompetenzen zu sichern, beklagen Uni-Professoren "ein stetes Absinken der mathematischen Kenntnisse und Fähigkeiten von Studienanfängern". Was wollen wir unseren Schülern vermitteln? Was müssen alle Maturanten können? So lange das nicht geklärt ist, bleibt die Reifeprüfung unausgegoren. Und zwar mit einer Wahrscheinlichkeit von 100 Prozent. 

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