Die Anhänger des gestürzten Machthabers widersetzen sich noch im Süden, der Rest des Landes wird von der Opposition kontrolliert. Russland hat die Übergangsregierung bereits anerkannt.
Die Opposition in Kirgisistan erklärt sich zur Siegerin und "Volksregierung". Nach den gewaltsamen Protesten gegen die Regierung kontrolliert sie nach eigenen Angaben den größten Teil des Landes. Nur in den Gebieten Osch und Dschalalabad sei die Macht noch nicht in den Händen der Übergangsregierung, sagte deren Anführerin Rosa Otunbajewa am Donnerstag. In der Hauptstadt Bischkek sprach sie von einer siegreichen Revolution. Der Volksaufstand habe die "Repressionen, die Tyrannei und die Aggression" gegen die Menschen beendet, sagte die 59-Jährige Politikerin nach Angaben der Agentur Akipress. Otunbajewa gilt als eine Vorkämpferin der Menschenrechte in der Ex-Sowjetrepublik.
Russland hat die selbst ernannte Übergangsregierung in Kirgisitan inzwischen anerkannt. Putin betrachte Otunbajewa als Chefin einer neuen Regierung, sagte ein Sprecher des russischen Ministerpräsidenten am Donnerstag. Sie habe Putin in einem Telefonat erklärt, die vollkommene Kontrolle über das Land zu haben. Russland hat neben den USA eine Militärbasis in der ehemaligen Sowjetrepublik, die nördlich von Iran und Afghanistan liegt.
China "tief beunruhigt"
Die chinesische Regierung ist "tief besorgt" über die jüngsten Ereignisse in Kirgisistan. Als Nachbarland hoffe China auf eine baldige Wiederherstellung der Ordnung. Dies liege im Interesse des kirgisischen Volkes und diene dem Frieden und der Stabilität in der Region, sagte die Sprecherin des chinesischen Außenministeriums, Jiang Yu, am Donnerstag vor der Presse in Peking.
Auch UNO-Generalsekretär Ban zeigt bei seinem Wien-Besuch besorgt über die Lage in Kirgisistan. Die UNO wird einen Sondergesandten nach Kirgisistan entsenden.
Übergangsregierung gebildet
Die Opposition hatte am Vorabend den Sturz der Führung in Bischkek verkündetund eine Übergangsregierung unter Leitung der früheren Außenministerin Otunbajewa gebildet. Die Sicherheitskräfte und Grenztruppen der ehemaligen Sowjetrepublik stünden unter dem Befehl der neuen Regierung, erklärte deren Verteidigungsminister Ischmail Isakow. Das Militär werde nie wieder zur Lösung von Konflikten im Inland eingesetzt.
Der bisherige Präsident Kurmanbek Bakijew ist nach Angaben Otunbajewas in seine Heimat Dschalalabad im Süden des Landes geflohen, um dort seine Anhänger zu sammeln. Die Opposition wolle mit ihm über seinen Rücktritt verhandeln. "Er hat hier nichts mehr zu tun", sagte Otunbajewa. Das Parlament werde aufgelöst. Inzwischen sei er auch zurückgetreten, berichteten kirgisische Medien am Donnerstag unter Berufung auf Behördenangaben in Dschalabad.
Dutzende Tote, hunderte Verletzte
Bei Straßenschlachten zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten waren zuvor dem Gesundheitsministerium zufolge 75 Menschen getötet und 400 verletzt worden. Die Regierungsgegner in der weitgehend verarmten Ex-Sowjetrepublik werfen Bakijew Vetternwirtschaft, ein harsches Vorgehen gegen Kritiker und Einschränkung der Meinungsfreiheit vor.
Kirgisische Medien berichteten von schweren Plünderungen in Geschäften, Unternehmen und Museen. Die neue Regierungschefin Otunbajewa schrieb in einem Twitter-Eintrag, dass zunächst Bürgerpatrouillen eingerichtet werden sollen. Die 59-Jährige hatte bereits die Tulpenrevolution vor fünf Jahren angeführt, als Bakijew an die Macht kam. Otunbajewa war im Streit um die Ausrichtung des Landes aber zur Opposition übergetreten. Sie kündigte an, dass die Übergangsregierung zunächst sechs Monate arbeiten wolle, um eine neue Verfassung zu erarbeiten.
Hohes Protestpotenzial
Hintergrund: Kirgisistan
Die am Dienstag begonnenen Massenproteste gegen Bakijew in Talas und dann auch in anderen Orten waren blitzschnell in gewaltsame Ausschreitungen zwischen Polizei und Regierungsgegnern umgeschlagen. Die Proteststimmung im Land ist wegen der bitteren Armut nach Einschätzung von Beobachtern extrem hoch.
Die Opposition fordert seit Wochen den Rücktritt Bakijews, dem sie Vetternwirtschaft, Unterdrückung von Kritikern und Einschränkungen der Meinungsfreiheit vorwirft. Die Pressefreiheit wurde in den vergangenen zwei Jahren deutlich eingeschränkt, Oppositionspolitiker klagen über massive Einschüchterung durch die Sicherheitskräfte. Der zunehmend autoritäre Kurs der Regierung wird auch mit dem Kampf gegen islamistische Extremisten begründet.
Die Republik am Pamir-Gebirge grenzt an die chinesische autonome Region Xinjiang, Kasachstan, Usbekistan und Tadschikistan.
Die frühere Sowjetrepublik in Zentralasien ist seit dem Zerfall der UdSSR 1991 ein unabhängiger Staat. Mit einer Fläche von knapp 200.000 Quadratkilometern ist der Binnenstaat fast zweieinhalb Mal so groß wie Österreich. Die kirgisische Wirtschaft ist vom Agrarsektor (Baumwolle, Tabak) dominiert. (mehr ...)
(Ag.)