Der Minister jenseits der roten Linie

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Warum provoziert uns Innenminister Herbert Kickl bloß so? Ist er der illiberale Vorreiter? Nur eitel? Oder gar überfordert, wenn es ums Formulieren geht?

Herbert Kickl ist schon wieder was passiert. Der Innenminister nutzte eine Pause des Verfassungsschutz-Untersuchungsausschusses für ein ORF-Interview und philosophierte frei zum Thema Rechtsstaatlichkeit im Zusammenhang mit der Abschiebung verurteilter oder tatverdächtiger Asylwerber bzw. Asylberechtigter. Er bekenne sich wohl zur Rechtsstaatlichkeit, meinte der Minister, ließ dann jedoch ein gedankliches Aber folgen: „Ich glaube immer noch, dass der Grundsatz gilt, dass das Recht der Politik zu folgen hat und nicht die Politik dem Recht.“ Er meinte wohl die Sinnhaftigkeit der Menschenrechtskonvention, die er und andere Rechtspolitiker schon öfter infrage gestellt hatten.

Mit dieser generalisierenden Formulierung kann er, der Mann im sensiblen Innenministerium, freilich auch mehr gemeint haben, nämlich einen neuen freiheitlichen Umfragen-Rechtspositivismus. Kickl überschreitet jedenfalls klar und deutlich die rote Linie. Und hilft der Opposition vom Boden auf, da sie in ihm endlich wieder ihr liebstes Mobilisierungsobjekt hat. Der Minister überdeckt mit seinem Rechtsphilosophie-Beitrag auch die Debatte über das tatsächlich existierende Problem einer statistisch höheren Zahl von Gewalttaten männlicher Asylbewerber im Vergleich zur restlichen Bevölkerung.

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Im Out. Politik darf und soll via Parlament Gesetze ändern oder schaffen. Doch sie hat auch dem Recht zu folgen. Wer mit diesem Grundsatz spielt, stellt sich selbst ins Out. Kickl verwendete auch noch das Bild eines brennenden Hauses, das unter Einsatz des herumliegenden Schlauchs gelöscht werden sollte. Was bitte schön brennt? Und ist der Schlauch der Bild gewordene Notwehrexzess? Kickl ruderte nach einem Gespräch mit Alexander Van der Bellen und einem Telefonat mit Sebastian Kurz zurück. (Dass Kurz Kickl aus den Hallen des Weltwirtschaftsforums in Davos zurückpfeift, ist eine hübsche Pointe. Auf den ersten FPÖ-nahen Seiten wird sicher bald George Soros dafür verantwortlich gemacht.)

Via US-Netzwerk Facebook erklärte Kickl: „Ich habe zu keinem Zeitpunkt die Europäische Menschenrechtskonvention oder die Menschenrechte als solche infrage gestellt.“ Beruhigend.

Was steckt hinter den provokanten Aussagen Kickls? Immerhin muss er aufgrund seiner Bildung und Erfahrung genau wissen, was er wie wann sagt und was er damit auslöst. Es gibt drei Möglichkeiten. Entweder ist er – im wahrsten Sinne des Wortes – Vorreiter einer neuen illiberalen Umgestaltung Österreichs. Dann wäre der Mann gefährlich. Oder will er, wie einst Jörg Haider, einfach ständig auffallen, um dank der heftigen Gegenwehr aus der Mitte und von links zumindest in den eigenen Reihen geliebt zu werden? Das wäre dann Eitelkeit und ein guter Therapie-Anlass. Dritte Möglichkeit: Die innenpolitischen Beobachter haben geirrt und Herbert Kickl ist gar nicht der smarte, kühle Parteimanager und ideologische Strategie-Star, der für Heinz-Christian Strache und Norbert Hofer denkt und textet, sondern einfach überfordert. Irgendwie sind das alles beunruhigende Varianten.

rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.01.2019)

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