Sex und Horror in der Tinder-Welt: „Cat Person“

Kristen Roupenian brachte ihren ersten Erzählband heraus.
Kristen Roupenian brachte ihren ersten Erzählband heraus. (c) Elisa Roupenian Toha
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Kristen Roupenians viral gegangene Kurzgeschichte „Cat Person“ wurde zum Literaturphänomen der Erregungsgesellschaft. Jetzt liegt ihr erster Erzählband vor.

Margot jobbt im Studium an der Snackbar eines Indie-Kinos. Robert kauft dort rote Lakritze. Margot findet ihn süß, wenngleich „nicht so süß, dass sie ihn auf einer Party angesprochen hätte“. Im Lauf der nächsten Wochen entwickelt sich zwischen ihnen ein „ausgefeiltes Spiel endloser Witze via SMS“, das seine beiden Katzen einschließt und schließlich in ein Date mündet, auf dem der ältere Robert wortkarg ist, ihren Filmgeschmack falsch einschätzt und weniger geistreich denn unbeholfen wirkt, auch ein wenig aggressiv. Margot fährt dennoch mit ihm nach Hause, und hat dort mit ihm Sex, weil es zu mühsam wäre, noch einen Rückzieher zu machen. Er behandelt sie wie eine Pornopuppe, sie bricht den Kontakt ab. Er will erst wissen, was er falsch gemacht hat und beschimpft sie dann als Schlampe.

Den Plot von „Cat Person“ muss man leider spoilern – denn da geht es nicht nur um eine Kurzgeschichte, sondern um ein Phänomen. Die Story war Ende 2017 im renommierten Magazin „New Yorker“ erschienen, nachdem eine Menge anderer Publikationen sie zuvor abgelehnt hatten – und verbreitete sich von dort aus viral. „Cat Person“ wurde zur zweitmeistgelesenen „New-Yorker“-Geschichte des Jahres – nach Ronan Farrows Enthüllungen über Harvey Weinstein. Ihr Titel ist ein Hinweis auf die Kontaktanbahnung auf Dating-Apps. Aussehen, Größe, Katzenfreund oder Hundemensch – schon meint man zu glauben, wer jemand ist.

Kurzformat.
Frauen. Männer. Und die Schwierigkeiten, die dazwischen liegen. Roupenian hatte die ewige Geschichte in den Worten der Millennials erzählt. Gewählt hatte sie die Form der Short Story, dieses uramerikanische Kurzformat, das den Instagram-süchtigen Schlagzeilenüberfliegern trotzdem zu lang ist. Aber „Cat Person“ haben auch sie gelesen und das Ergebnis war wüst: Da Frauen, die die Geschichte feierten als Anklage gegen das Patriarchat, gegen kulturelle Normen, die es Frauen unmöglich machen, nein zu sagen. Dort Männer, die sich angegriffen fühlten: Die hätte doch nur gehen müssen. Und die Autorin wurde behandelt, als wäre das Ganze ein realer Erlebnisbericht. Nun ist der zugehörige Erzählband erschienen, und dass Roupenian in tiefere Abgründe schauen kann als die eines unglücklich verlaufenen Dates macht schon der Opener „Böser Junge“ klar. Das Pärchen, das darin dem frisch getrennten Freund seine Couch anbietet, entdeckt so schnell die Freude an der Tyrannei, was dessen Ex-Freundin mit ihren „zehntausend banalen Demütigungen“ harmlos erscheint.

Mehr noch als in „Cat Person“ geht es in den weiteren elf Kurzgeschichten um Liebe, Bedürfnisbefriedigung und den schmalen Grat zur Grausamkeit, um Abgründe und sozial unaussprechliche Wünsche. Etwa wenn Ellie Männer beißen will („Jede Partie würde anders schmecken, sich anders im Mund anfühlen, hätte ein anderes Verhältnis von Knochen, Fett und Haut“) und am Ende einen Weg dafür findet, schließlich hat jede Firma ihren Belästiger. Oder wenn sich Ted, ein „netter Typ“, der sich damit abgefunden hat, zweite Wahl zu sein, beim Sex vorstellt, seine Freundinnen aufzuschlitzen. Was ist mit der „kleinen Blonden“ passiert, die in den Bauch getreten werden will, und warum tut es der frisch geschiedene Fremde im Motel, obwohl er angeblich nicht will?

Und schnell ist man weg von den Geschlechterklischees der #MeToo-Debatte und in einer absurderen Wirklichkeit voller gekränkter Egos und Demütigung. Die klar erzählten Geschichten entwickeln dabei einen starken Sog, so stilistisch unterschiedlich sie sein mögen, manches ist surreal, zugleich Märchen und Horror, man denkt an Grimm und Edgar Allan Poe.

Wie sich der Wirbel um „Cat Person“ für sie anfühlte, schilderte Roupenian, die in Harvard afrikanische Literatur und in Michigan Creative Writing studiert hat und die zuvor völlig unbekannt war, Mitte Jänner wiederum im „New Yorker“. Wie ein Alptraum nämlich. Nun hoffe sie, dass „die vielen Monster und Mörder“ des Buchs „zumindest einige der autobiografischen Fragen hinfällig machen“.

(c) Blumenbar

Neu erschienen

Kristen Roupenian
„Cat Person“

Übersetzt von
Friederike Schilbach und Nella Beljan
Blumenbar
288 Seiten
20,60 Euro

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.01.2019)

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