Kein Ärztemangel, aber unattraktive Kassen

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Österreich gehört zu den Ländern mit der höchsten Ärztedichte. Immer weniger Jungärzte wollen aber einen Kassenvertrag. Das könnte in einigen Jahren zu einem ernsthaften Problem werden.

Wien. Die SPÖ hat für Dienstag eine eigene Nationalratssitzung dazu einberufen: Sie will auf den drohenden Ärztemangel aufmerksam machen. Ein Faktencheck:

1 Gibt es tatsächlich einen Ärztemangel in Österreich?

Mit Sicherheit nicht. Laut Angaben der OECD kommen auf 1000 Einwohner 5,05 Ärzte, womit Österreich die zweithöchste Ärztedichte in Europa nach Griechenland aufweist. Auch die Entwicklung zeigt keinen negativen Trend auf. Es gibt derzeit rund 8200 Ärzte mit einem Kassenvertrag, das sind ungefähr gleich viele wie im Jahr 2000. Seit damals hat sich aber die Zahl der Wahlärzte von 4768 auf 10.099 mehr als verdoppelt.

2 Gibt es demnach ein Problem bei den Kassenärzten?

Auch da sind die Zahlen derzeit nicht dramatisch, aber es lassen sich erste Warnzeichen erkennen. Momentan sind österreichweit 129 Kassenstellen unbesetzt. Das ist angesichts der Gesamtzahl der Kassenärzte nicht viel – aber doch erstaunlich. Noch vor wenigen Jahren gab es lange Wartelisten für eine Kassenstelle. Jetzt wird es deutlich schwerer, Allgemeinmediziner zu finden, die abseits der Ballungsgebiete eine Praxis übernehmen wollen.

Und auch Facharztstellen für manche Fachgebiete sind nur schwer zu besetzen. Die Ursachen dafür sind vielfältig: Das Berufsbild des rund um die Uhr im Einsatz befindlichen Landarztes ist heute nicht mehr so attraktiv, dazu kommen Honorarordnungen, die Fließbandmedizin hervorrufen, während Privatärzte wesentlich bessere Arbeitsbedingungen haben. Und schließlich lässt sich mit einer Privatpraxis oder einem Job im Ausland auch ein besseres Einkommen erzielen.

Was die Lage dramatisch machen könnte, ist die Altersstruktur der Kassenärzte: In den nächsten zehn Jahren werden 55 Prozent aller Ärzte mit einem Vertrag mit der Gebietskrankenkasse das Pensionsalter erreichen. In manchen Fachrichtungen werden sogar mehr als 60 Prozent aller Mediziner in diesem Zeitraum in Pension gehen.

3 Wie könnte ein Mangel an Kassenärzten verhindert werden?

Eine höhere Zahl an Studienplätzen löst das Problem nicht, schließlich gibt es keine Garantie, dass die Absolventen im öffentlichen Gesundheitsbereich andocken. Man wird also das Berufsbild des Kassenarztes attraktiver gestalten müssen. Versucht wird das derzeit über die Einrichtung von Primärversorgungszentren: Teamarbeit und die Möglichkeit, Ärzte anzustellen, kommen den Bedürfnissen der Jungmediziner eher entgegen als das Berufsbild des Einzelkämpfers, so die Idee. Letztlich werden die Kassen aber nicht darum herumkommen, den Honorarkatalog zu überarbeiten und so bessere Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten zu schaffen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.01.2019)

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