Türkis-Blau will Rechnungshof-Prüfung von rot-schwarzer Gesundheitspolitik

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NATIONALRAT: STRACHE / KURZ / RENDI-WAGNERAPA/ROLAND SCHLAGER
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Die Regierung ärgert sich über die anstehende Sondersitzung des Parlaments zum Thema Ärztemangel. Und geht zum Gegenangriff über: Der Rechnungshof soll die Arbeit des Gesundheitsministeriums überprüfen.

ÖVP und FPÖ werfen der SPÖ vor der von ihr verlangten Sondersitzung zum Thema Ärztemangel langjähriges Versagen in der Gesundheitspolitik vor. Die Klubobmänner der Regierungsparteien, August Wöginger und Walter Rosenkranz, wollen eine Rechnungshofprüfung des Gesundheitsressorts über die letzten zehn Jahre beantragen. Das Ressort war ab 2008 in den SPÖ-ÖVP-Koalitionen von roten Ministern geführt, bis dahin war es ab 2003 in ÖVP-Verantwortung gewesen.

"Es gibt schon Hauptverantwortung"

"Es ist unglaublich, dass die SPÖ in der Gesundheitspolitik Verantwortung von sich schieben will", meinte Wöginger. In den vergangenen zehn Jahren habe es ausschließlich SPÖ-Minister gegeben, unter ihnen für zehn Monate auch die nunmehrige Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner. "Die Rechnungshof-Prüfung soll aufzeigen, wer zehn Jahre lang nichts getan hat." Die ÖVP sei zwar mit den Roten in einer Regierung gewesen, sagte Wöginger, fügte aber an: "Es gibt aber schon eine Hauptverantwortung."

Rosenkranz monierte, dass die "Untätigkeit" der SPÖ-Ressortchefs erst zur drohenden Versorgungslücke bei den Hausärzten geführt habe. Die SPÖ habe Probleme jahrelang negiert und es verabsäumt, darauf zu reagieren. Die jetzige Regierung habe bereits erste Maßnahmen zur Problemlösung gesetzt, meinte der FPÖ-Klubchef.

"Zwei gesundheitspolitische Maßnahmen" von FPÖ-Ministerin

Die aktuelle Ressortchefin ist eine Blaue: Beate Hartinger-Klein. Ex-Ministerin Rendi-Wagner warf ihr im Vorfeld der Parlamentssitzung vor, erst zwei gesundheitspolitische Maßnahmen getroffen zu haben: "die Zerschlagung der Sozialversicherungen" sowie "die Abschaffung des Rauchverbots".

Am Dienstagnachmittag will die SPÖ Hartinger-Klein dazu befragen; die Sozialdemokraten haben eine Sondersitzung einberufen lassen. Grund dafür ist eine bevorstehende Pensionswelle bei Ärzten. Die SPÖ will Gruppenpraxen und Primärversorgungseinrichtungen forcieren, auch der Beruf des Hausarztes solle attraktiviert werden, meinen die Roten.

Sie legten ihren Dringlichen Antrag am Vormittag vor. Die Argumentation: Knapp die Hälfte - 48 Prozent - der gut 18.000 niedergelassenen Ärzte würden spätestens in zehn Jahren das Pensionsalter erreichen. Bei den Fachärzten mit Gebietskrankenkassen-Vertrag würden sogar 60 Prozent bis 2029 in den Ruhestand treten. Schon jetzt gebe es trotz theoretisch hoher Mediziner-Dichte ein Verteilungsproblem in der Ärzteschaft. 90 Kassenstellen seien nicht besetzt. Das bedeute, dass rund 200.000 Menschen keine wohnortnahe adäquate hausärztliche Versorgung haben, aber auch, dass Ärzte immer weniger Zeit für ihre Patienten hätten. Ferner habe sich die Versorgung durch lange Wartezeiten, überfüllte Ambulanzen oder lange Anfahrtswege verschlechtert.

Die SPÖ betont, dass die Lunte von beiden Seiten brenne. Denn auch die österreichische Bevölkerung wird immer älter. 2020 werden mehr als 500.000 Menschen in Österreich 80 Jahre oder älter sein - damit einhergehend oftmals auch chronisch krank, multimorbid, pflegebedürftig oder demenziell erkrankt, heißt es vonseiten der Sozialdemokraten.

Rendi-Wagner wirft ihrer Nachfolgerin Hartinger-Klein vor, diese ohnehin schwierige Situation zu verschärfen: Sie zerstöre funktionierende Strukturen in der Sozialversicherung und mache durch schlechtere Arbeitszeitregelungen den Beruf des Arztes unattraktiv. Hartinger-Klein müsse dafür Sorge tragen, alle Verantwortlichen an einen Tisch zu holen.

ÖVP-Seniorenbund will mehr Geld für Hausärzte

Auch der ÖVP-Seniorenbund hatte am Dienstag Forderungen an die türkis-blaue Gesundheitspolitik. Höhere Honorare und Arbeiten über 70: Unter anderem damit solle einem drohenden Ärztemangel entgegengewirkt werden, meinte Seniorenbund-Chefin Ingrid Korosec. Zudem will sie die Primärversorgungszentren vorangetrieben und den Turnus in den Spitälern aufgewertet sehen.

Ähnlich der SPÖ befand die ÖVP-Politikerin in einem Schreiben, dass es nicht zu wenig Ärzte und zu wenig finanzielle Mittel gebe - sondern eine falsche Verteilung im System: "Die Investitionen fließen in den Spitalsbereich und fehlen im niedergelassenen Bereich." So seien die Wartezeiten für niedergelassene Fachärzte in vielen Bundesländern indiskutabel.

Attraktiver müssen nach Ansicht Korosecs die Ärzteeinkommen werden. Zu diskutieren wären etwa wie in Deutschland österreichweite ärztliche Grundpauschalen für Hausärzte. Ärztliche Leistungen für Gesundheitsberatung und Prävention sollen honoriert werden. Bei Nachweis der durchschnittlichen Versorgungswirksamkeit soll ohne Antrag weitergearbeitet werden, auch wenn das 70. Lebensjahr bereits erreicht ist. Eine entsprechende Regelung gibt es bereits in Wien.

Die Seniorenbund-Chefin trat auch dafür ein, den Turnus aufzuwerten, damit sich junge Mediziner wieder zutrauen würden, eigene Praxen zu eröffnen. Dabei brauche es etwa pro Spitalsabteilung ein verpflichtendes Visitations-Zimmer für Turnusärzte, um eine angeleitete Patientenbetreuung von der Aufnahme bis zur Heilung zu erlernen. Tätigkeiten wie Blutabnahme oder EKG sollten wieder von Schwestern durchgeführt werden.

(APA/Red.)

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