Im Wettstreit mit China darf Europa nicht national denken

Vordergründig geht es bei der Anklage des US-Justizministeriums gegen den chinesischen Technologiekonzern Huawei um Industriespionage.
Vordergründig geht es bei der Anklage des US-Justizministeriums gegen den chinesischen Technologiekonzern Huawei um Industriespionage.(c) APA/AFP/GETTY IMAGES/David Becker
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Der Streit um Huawei steht exemplarisch für den Umgang mit "chinesischen Champions". Zu viel europäische Nabelschau kann dabei gefährlich enden.

Vordergründig geht es bei der Anklage des US-Justizministeriums gegen den chinesischen Technologiekonzern Huawei um den Iran und Industriespionage. So soll das Unternehmen Sanktionen gegen das Mullah-Regime gebrochen und Betriebsgeheimnisse von Geschäftspartnern gestohlen haben. Heftige Vorwürfe, die eine scharfe Reaktion rechtfertigen, sollten sie sich bewahrheiten. Dennoch spielt bei der Eskalation in dem schon länger schwelenden Streit um das chinesische Unternehmen natürlich auch etwas anderes mit, und zwar der Kampf um die technologische Vormachtstellung bei einer wichtigen Zukunftstechnologie.

5G lautet das Zauberwort der Telekombranche. Gemeint ist damit die fünfte Generation der Mobilkommunikation. Anders als früher geht es dabei nicht nur darum, dass Daten schneller transportiert werden können, sondern auch um technische Standards – etwa für die Kommunikation von Maschinen untereinander. 5G ist die Basis für eine Reihe von Technologien, wie dem Internet der Dinge oder der Industrie 4.0, bei der Roboter selbstständig miteinander interagieren. Und auch das autonome Fahren wird erst durch die Vernetzung aller Verkehrsteilnehmer sein volles Potenzial entfalten können. Der Fortschritt im 21. Jahrhundert wird also stark davon abhängen.

Huawei ist der wichtigste Anbieter bei der Ausrüstung von 5G-Netzwerken. Und schon länger steht die Frage im Raum, ob die Firma ein verlässlicher Lieferant ist. Denn die Daten, die künftig über die Netzwerke geschickt werden, haben einen großen Wert. Könnte China sie abfangen, wäre das wohl der größte Spionage-Coup der Geschichte. Die USA und ein paar weitere Länder haben daher bereits einen Bann gegenüber Huawei-Netzwerktechnologie ausgesprochen.

Dass Geheimdienste international verwendete Technologie von Unternehmen aus ihrem Land zur Spionage nutzen, ist nicht neu. Schon 2013 wurde bekannt, dass die amerikanische NSA sogenannte Hintertüren bei Systemen des Netzwerkausrüsters Cisco verwendete, um an Daten zu gelangen. Der Konzern wies in der Folge Vorwürfe zurück, dass er diese „Backdoors“ in Zusammenarbeit mit dem Geheimdienst eingebaut habe. Dennoch blieb auch im Silicon Valley bei diesem Thema in den letzten Jahren ein schaler Beigeschmack.

Im Fall von China ist die Situation aber noch einmal um eine Potenz verschärft. So gibt es nicht nur den Verdacht, dass Peking die Technologie chinesischer Firmen für Spionage nutzen könnte. Das Land sorgt mit seiner Wirtschaftspolitik auch dafür, dass seine Unternehmen zunehmend an Einfluss gewinnen. So schottet Peking beispielsweise seinen eigenen riesigen Mobilfunkmarkt zu weiten Teilen für ausländische Anbieter ab. Das bringt den eigenen Konzernen Größen- und somit Preisvorteile. Ein Blick auf die Marktzahlen zeigt, dass China damit Erfolg hat. So konnte Huawei seinen globalen Marktanteil bei Netzwerktechnik allein seit 2015 um fünf Prozent auf fast ein Drittel steigern. Die Verfolger Nokia, Ericsson und Cisco mussten indes allesamt Anteile abgeben.


Die nun vielfach angestrebte Lösung für dieses Problem ist heikel. Denn auch wenn man gegenüber China keinesfalls naiv sein darf, können Verbote für gewisse Unternehmen protektionistisch missbraucht werden und sollten daher nur im äußersten Fall genutzt werden. Wichtig wäre es vor allem, dafür zu sorgen, dass europäische Firmen international konkurrenzfähig bleiben.

Wie das eher nicht laufen sollte, zeigt sich jedoch gerade am Beispiel der Zugtechnikanbieter Siemens und Alstom. Die Unternehmen streben eine Fusion an, um mit dem chinesischen Riesen CRRC weiterhin auf Augenhöhe bleiben zu können. Von der EU-Kommission wird dieses Ansinnen aller Voraussicht nach abgelehnt werden. Grund dafür ist vor allem die Dominanz des fusionierten Unternehmens auf dem europäischen Markt.

Bei aller Wichtigkeit schlagkräftiger Wettbewerbshüter wirkt diese beengte Sichtweise überholt. Der entscheidende Wettbewerb findet global statt. Wird das übersehen, könnte es für Europa langfristig gefährlich werden.

E-Mails an:jakob.zirm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.01.2019)

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