Nestlé: Mögliche Kratzer für glänzende Kapseln

Nestl Moegliche Kratzer fuer
Nestl Moegliche Kratzer fuer(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Tochter Nespresso bekommt erstmals Konkurrenz – Aktie bleibt aber ein Kauf. Für das Vorjahr weist Nespresso einen Umsatz von 2,77 Mrd. Schweizer Franken (1,9 Mrd. Euro) aus.

wien (mar). Mit kleinen glänzenden Kapseln und einem Frauenschwarm aus Hollywood als Galionsfigur in der Werbung ist Nespresso ein wahres Marketingwunder gelungen: Der Pionier auf dem Markt für portionierten Kaffee ist zwischen 2000 und 2008 im Schnitt um 30Prozent pro Jahr gewachsen. Für das Vorjahr weist Nespresso einen Umsatz von 2,77 Mrd. Schweizer Franken (1,9 Mrd. Euro) aus, was einem Zuwachs von 22 Prozent entspricht. Damit hat sich der Schweizer Hersteller zum am schnellsten wachsenden Bereich des weltgrößten Lebensmittelkonzerns Nestlé entwickelt.

Bei der Frage nach dem Erfolgsmodell pocht der Hersteller vor allem auf die Qualität des Kaffees, der in Wegwerfkapseln aus Aluminium abgefüllt und in Zehnerpacks verkauft wird, hierzulande etwa für 3,70 Euro. Das entspricht einem Kilopreis von 50 bis 70Euro. Doch hinter den Zuwächsen steckt ein ausgeklügeltes Geschäftsmodell. Die Kapseln sind nur mit Nespresso-Kaffeemaschinen kompatibel, diese wiederum werden als Lifestyle-Produkte verkauft und trotzdem deutlich billiger angeboten als vergleichbare Konkurrenzprodukte. Dazu klammert Nespresso den Einzelhandel komplett aus – Nespresso-Produkte gibt es nur im Internet oder in exquisiten Boutiquen, etwa am Graben in Wien. Österreich ist der sechstgrößte Markt, der Marktanteil soll bis 2015 in Europa und Nordamerika weiter auf 25Prozent steigen.

Allerdings gibt es seit Kurzem eine ernsthafte Bedrohung für dieses Modell. Ab dieser Woche stehen in Frankreich, dem größten Markt für Nespresso, Kapseln des US-Herstellers Sara Lee Corp. in den Regalen von drei großen Supermarktketten. Die „L'OR“-Kapseln kosten 2,99Euro. Anfang Mai betritt der Schweizer Hersteller Ethical Coffee den Markt. Die Lieferverträge mit dem Supermarktriesen Casino Guichard-Perrachon sind bereits unterzeichnet. Das Interesse von europäischen Einzelhändlern, die bei Nespresso das Nachsehen haben, sei riesig, wie es heißt.

Beide Hersteller setzen darauf, dass Nestlé keine gerichtliche Verfügung wegen Patentverletzung erreichen kann, beschreibt Jon Cox, Analyst bei Kepler Capital Markets in Zürich, die Situation. Jean-Paul Gaillard, jetzt Vorstandschef bei Ethical Coffee und früher Nespresso-Chef, hat nach eigenen Angaben vor rund zwei Jahren eine Lücke bei den Patenten für Nespresso gefunden und seitdem an einem Konkurrenzprodukt gearbeitet. Nestlé werde seine Optionen prüfen, wenn das Unternehmen herausfinde, dass Konkurrenten gegen seine Patente verstießen, sagte Unternehmenssprecher Richter. Dazu sei jedoch eine “gründliche Analyse” notwendig.

(c) Bloomberg

Raiffeisen Centrobank-Analystin Christine Nowak stuft die Nestlé-Aktie ungeachtet der neuen Konkurrenz mit „Kaufen“ ein. Auch Vontobel-Analystin Claudia Lenz empfiehlt in „Vontobel Morning Focus“ den Erwerb des Papiers. Kaufempfehlungen kommen auch von UniCredit, JP Morgan oder SocGen.

AUF EINEN BLICK

Nespresso hat im Vorjahr einen Umsatz von 2,77 Mrd. Schweizer Franken (1,9 Mrd. Euro) erzielt, ein Plus von 22 Prozent. Zwischen 2000 und 2008 wuchs das Unternehmen im Schnitt um 30 Prozent pro Jahr und ist damit der am schnellsten wachsende Bereich des aktiennotierten Lebensmittelkonzerns Nestlé.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.04.2010)

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