Nach Salzburg lässt jetzt auch Hallstatt nicht mehr jeden Touristenbus parken. Das könne bei den wachsenden Gästemassen nur der erste Schritt sein, sagen Experten.
Wien. Eine Million Touristen schieben sich jährlich durch den 770-Seelen-Ort Hallstatt. Sie fotografieren die malerische Szenerie mit See und Bergen, die Bauernhäuser und die Einheimischen, bevor die Reiseführerin alle wieder in den Bus scheucht, damit es weiter gehen kann nach Salzburg. Dass die Bevölkerung das nicht auf Dauer goutieren würde, war abzusehen. Die Wertschöpfung sei zweifellos hoch, betonte Hallstatts Bürgermeister, Alexander Scheutz (SPÖ), immer wieder – aber hoch sei eben auch der Frust unter den Einheimischen. Am Dienstag zog der Ort, beraten von Verkehrsplanern, die Notbremse: Ab dem Herbst soll sich die Zahl der Touristenbusse von zurzeit 19.344 dank eines limitierten Parksystems um ein Drittel reduzieren, sagte Scheutz den „Oberösterreichischen Nachrichten“.
Die Gäste klagen nicht
„Österreich hat kein flächendeckendes Overtourism-Problem“, stellt Claudia Riebler von der Österreich Werbung klar. Die Organisation bewirbt den Urlaub in Österreich in gut 30 Ländern und fragt die Gäste auch regelmäßig, wie es ihnen hier gefällt. Lediglich acht Prozent empfänden Österreich als „überlaufen“, sagt Riebler. Das Problem beschränke sich auf „punktuelle Spitzen“ wie Hallstatt oder die Wachau. Dort brauche es individuelle Lösungen.
Das dachten sich wohl auch die Salzburger. Vor allem bei Schlechtwetter kann es in der Getreidegasse oder vor Mozarts Geburtshaus eng werden. Die Stadt hat vergangenen Sommer mit Bus-Kontingenten reagiert, die auch Pate für Hallstatt standen. Seit dem Sommer können Touristenbusse ihre Passagiere nur nach Anmeldung und Bezahlung zu bestimmten Uhrzeiten an genau markierten Orten ausladen und einsammeln. „Das hat schon viel Druck aus der Situation genommen“, sagt Salzburgs Tourismus-Chef, Herbert Brugger, zur „Presse“. Aber es werde nicht die letzte Lenkungsmaßnahme gewesen sein, die sich die Stadt einfallen lassen muss.
6,5 Millionen Tagesbesucher empfängt Salzburg im Jahr – 3,5 Millionen kommen aus dem Umland, drei Millionen fallen in die unter Einheimischen unbeliebtere Kategorie „Tourist“ (und die Hälfte von ihnen spucken die Busse aus). Wenn man bedenke, dass Städtereisen alltäglich und Flüge immer billiger werden und die Welttourismusorganisation für 2030 1,8 Milliarden Touristen prognostiziert, könne man sicher sein: Der endgültige Besucherrekord sei auch in Salzburg nicht erreicht.
„Wir müssen einen Weg finden, wie man die Leute so durch die Stadt bringt, dass alle damit leben können“, sagt Brugger. Ihm schweben alternative Routen abseits der Trampelpfade und eine Verkleinerung der zulässigen Reisegruppen vor. Das sei alles in der Evaluierungsphase. Die Diskussion laufe noch, mitunter mit „abenteuerlichen Vorschlägen“ bis hin zur Aussperrung bestimmter Touristengruppen, „namentlich Asiaten“, sagt Brugger.
Das Lieblingsziel der Asiaten
Dass sich das Unwohlsein gegen eine bestimmte Gruppe richtet, liegt wohl an der Entwicklung der Besucherzahlen: Von Jänner bis Juli 2018 kamen 542.000 chinesische Gäste ins Land. Schon 2017 zählte Österreich neben Deutschland und der Schweiz zu ihren Top-drei-Europazielen, wie ÖW-Chefin Petra Stolba im Herbst sagte. Das soll so bleiben, wenn es nach ihr geht: Asien sei „ganz klar eine unserer wichtigsten Regionen mit den höchsten Wachstumsraten“, so Stolba.
Die chinesischen Gäste folgen dabei einem klassischen Sightseeing-Programm: Wien, die Swarovski-Kristallwelten nahe Innsbruck, Salzburg und eben Hallstatt liegen meistens auf ihrer Route. Durchschnittliche Verweildauer im Land: 1,4 Nächte. Aber der stereotypische Asiate, der in 14 Tagen im Bus durch Europa fährt, werde gerade abgelöst, sagt Claudia Riebler: „Speziell in Asien sehen wir eine neue junge Mittelschicht, die individuell reisen will. Die Generation kommt langsam auch nach Österreich.“
Hallstatt dürfte sich dennoch auf den Reiserouten der asiatischen Gruppen halten. Helga Freund, Chefin des Reiseveranstalters Eurotours, der den Ort immer wieder anfährt, nennt den Schritt zu Buslimits „sehr mutig“. „Jetzt hoffe ich, dass die Umsetzung gut wird.“ Der Erfolg hänge von der vernünftigen Verteilung der Kapazitäten unter privaten Reisenden und Veranstaltern ab. Auch Eurotours wird schauen, dass es sich Plätze sichert. In Hallstatt behält man lieber den Fuß in der Tür.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.01.2019)