Ärztemangel

Eine Parlamentsdebatte "wie in der Sandkiste"

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner bringt am Dienstag das Thema Ärztemangel in den Nationalrat – mit heftigen Angriffen gegen Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ).
SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner bringt am Dienstag das Thema Ärztemangel in den Nationalrat – mit heftigen Angriffen gegen Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ).(c) APA/ROBERT JAEGER
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SPÖ und FPÖ schieben sich gegenseitig die Schuld am drohenden Engpass bei Kassenärzten zu. Die Koalition beauftragt den Rechnungshof, die Tätigkeit der früheren SPÖ-Minister zu untersuchen.

Wien. Es ist, als würden sich bei dieser Parlamentsdebatte alle in der Oppositionsrolle befinden. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner bringt am Dienstag das Thema Ärztemangel in den Nationalrat – mit heftigen Angriffen gegen Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ). Diese würde das System der Sozialversicherung zerstören, das Problem des Ärztemangels auf die lange Bank schieben und eine Zweiklassenmedizin forcieren.

FPÖ und ÖVP dagegen agieren, als seien sie in Opposition zu den früheren SPÖ-Gesundheitsministern. „Ich danke für die Sondersitzung“, sagt Hartinger-Klein. „Sie ist ein Geschenk für mich.“ Die Sitzung gebe ihr erst die Gelegenheit, die Versäumnisse der früheren Minister – unter ihnen SPÖ-Chefin Rendi-Wagner – aufzulisten. Und das machen sie und auch ihre Kollegen aus den Koalitionsparteien ausgiebig.

Die FPÖ-Abgeordnete und Ärztin Brigitte Povysil hat zur Veranschaulichung gar große Pappfiguren der SPÖ-Minister Rendi-Wagner und Alois Stöger mitgebracht. Und liefert dabei einen peinlichen Versprecher: Die SPÖ-Minister seien acht Jahre lang untätig gewesen, so Povysil. „Unsere Ministerin ist ganze 14 Monate im Urlaub (. . .) äh im Amt.“ FPÖ und ÖVP setzen jedenfalls ihre Mittel gegen die Vorgängerregierung ein: Sie beantragen eine Sonderprüfung der Gesundheitsminister durch den Rechnungshof.

„Die Türmlein zertrümmert“

Neos-Mandatar Gerald Loacker fühlt sich angesichts des Schlagabtausches in den Kindergarten zurückversetzt. „Da wird wie im Sandkasten gegenseitig das Türmlein zertrümmert.“ Er bringt aber einen wesentlichen Aspekt in die Diskussion ein: Der drohende Mangel an Kassenärzten sei nämlich gar nicht so sehr ein Problem, das vom Gesundheitsministerium verursacht sei, denn für das Thema hauptverantwortlich seien die Sozialversicherungen. „Die SPÖ gesteht damit ein, dass die Selbstverwaltung gescheitert ist“, sagt der Neos-Abgeordnete. Und in den Krankenkassen seien die Funktionäre von Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer am Ruder.

Wenig Verständnis für die SPÖ-Initiative hat auch Jetzt-Mandatarin Daniela Holzinger-Vogtenhuber. Sie wirft der SPÖ vor, das Thema ebenso „übertrieben hoch zehn“ hochzuspielen, wie es in der Vergangenheit die FPÖ getan habe. „Können wir uns darauf einigen, dass wir uns im Gesundheitsbereich hinsetzen und gemeinsame Lösungen überlegen?“, fragt sie: „Es geht mir wirklich nicht ein, warum das nicht möglich ist.“

Trotzdem ist die Liste Jetzt die einzige Fraktion, die gemeinsam mit der SPÖ für den Dringlichen Antrag stimmt, mit dem Hartinger-Klein zum Handeln gegen den Ärztemangel aufgerufen wird. Mit Koalitionsmehrheit angenommen wird hingegen ein türkis-blauer Antrag, mit dem die Regierung um Stärkung der niedergelassenen Versorgung im Sinne der Patienten ersucht wird. Beschlossen wurde auch die Prüfung des Gesundheitsressorts über die letzten zehn Jahre durch den Rechnungshof.

Pensionswelle steht bevor

Hintergrund der Sondersitzung war der absehbare Mangel an Kassenärzten: 55 Prozent aller Mediziner mit Kassenvertrag werden in den kommenden zehn Jahren das Pensionsalter erreichen. Eine adäquate Nachbesetzung der Stellen ist fraglich, weil immer weniger Mediziner bereit sind, einen Kassenvertrag anzunehmen. In den vergangenen Jahren hat es einen massiven Zuwachs bei Privatärzten gegeben, während etliche Kassenstellen unbesetzt blieben. Außerdem will ein guter Teil der Medizinstudenten nicht in Österreich arbeiten, sondern hat vor, sich einen Job im Ausland zu suchen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.01.2019)

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