Hanne Willmann: Design auf den zweiten Blick

Reduktion. Hanne Willmann liebt Einfachheit. Ihr Designstudio hat sie in Berlin.
Reduktion. Hanne Willmann liebt Einfachheit. Ihr Designstudio hat sie in Berlin. (c) Beigestellt
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Die Berliner Designerin Hanne Willmann mag Dinge mit möglichst vielen Berührungspunkten: vor allem auch emotionalen.

Da hat sie sich dann doch ein wenig geschreckt: „Star-Designerin" hat sie in einem Magazin gelesen. Ja, Hanne Willmann weiß, die Branche ist sich schnell einig beim Einschwören auf Namen und Talente. Schnell laden sie sich auf mit Awards hier und Titeln da. Und irgendwann wollen sich dann die Designhersteller auch auszeichnen: mit diesen Namen. Schaut her: Wir sind die, die mit den „upcoming" zusammenarbeiten. Zumindest eine Schublade, in der sich Willmann wohler fühlt als jener, in der „Star" vorn draufsteht. Mit dem „Schaufenster" sprach sie über Möbel-Multiplikatoren und ästhetische Nach­haltigkeit.

Als Designerin sind Sie auch verantwortlich für das Neue auf der Welt. Wann hat das Neue überhaupt die Berechtigung, ein Produkt zu werden?
Das stimmt, einfach nur neu sein, das reicht nicht. Die Idee allein, sie wird erst wertvoll mit dem richtigen Hersteller, den richtigen Produktionsmethoden. Nachhaltigkeit ist mir sehr wichtig. Und dabei vor allem auch die emotionale Haltbarkeit. Man merkt es doch selbst an jenen Dingen, die einen tief berühren, Erinnerungen auslösen und Gefühle. Und das ist mit Schlichtheit allein oft nicht getan. Mir ist auch wichtig, dass der Hersteller das Produkt und die Idee dahinter auch wertig behandelt. In der Produktion genauso wie in der Vermarktung. Also nicht gleich im nächsten Jahr wieder aus der Kollektion rausschmeißt. Zuerst kommt die Wertschätzung der Hersteller, dann die der Konsumenten.

Holzring. ­„Kaede“ von Schönbuch inszeniert den Kreis neu.
Holzring. ­„Kaede“ von Schönbuch inszeniert den Kreis neu. (c) Beigestellt

Also geht es auch um eine Grundhaltung, nicht nur als Gestalter, sondern auch Hersteller?
Das Tablett „Kaede" haben wir jetzt für Schönbuch gemacht. Ein Unternehmen, in dem ich meine Ideen einfach auch gut aufgehoben sehe. Schon vor sieben Jahren hab’ ich meinen ersten Wurf dorthin geschickt. Das war noch während des Studiums. Der Entwurf war schlecht, keine Frage. Aber Antwort habe ich trotzdem bekommen. Es gibt gar nicht so viele Firmen, die auf Studenten-­
E-Mails überhaupt reagieren. Das zeigt schon eine Grundhaltung. Und für uns war es, auch wenn wir jetzt erst gemeinsam ein Produkt entwickelt haben, der Beginn einer Respektsbeziehung. Das ist einfach auch eine verrückte und gleichzeitig bodenständige Truppe.

Wie kitzelt man aus einem vordergründig „banalen" Ding wie einem Tablett auch eine emotionale Spannung heraus?
Bei „Kaede" kam die Idee aus der Herstellung heraus, das ist überhaupt ein Zugang, den ich gern nehme. Ich schaue, wie die Dinge produziert werden, und daraus lässt sich dann auch die Ästhetik entwickeln. In diesem Fall: Ringe aus Holz im Ganzen herzustellen ist viel zu schwierig und teuer. Man müsste es aus zwei Teilen machen, aber da würde auch die emotionale Spannung fehlen. Es ist zwar „nur" ein Tablett. Aber dafür hat es einen ziemlichen Schwung, der die Verbindung der Kreissegmente auch zeichenhaft thematisiert. Viele andere nähern sich auch über die Produktion den Dingen. Aber oft genug gerät es dann eben zu kühl, wie bei technischen Regalsystemen etwa.

Interkulturell. Das Ton-Service „La Familia“: Schlichtheit trifft auf mexikanisches Kunsthandwerk.
Interkulturell. Das Ton-Service „La Familia“: Schlichtheit trifft auf mexikanisches Kunsthandwerk. (c) Beigestellt

Ist es für die ästhetische Nachhaltigkeit günstiger, wenn sich die Dinge nicht sofort in allem erschließen?
Auf jeden Fall. Ich mag es, wenn Dinge und Möbel erst auf den zweiten Blick interessant werden. Klar, auf den ersten Blick müssen sie auch wirken, harmonisch vor allem. Aber dann bei näherer Beschäftigung dürfen sie sich auch erklären. Es ist fast so wie bei Menschen: Wer laut „Bääääm" schreit am Anfang, wird schnell langweilig.

Ist es schwierig für eine Designerin, wenn einem die Idee nie allein gehört, wenn sie sich dann endlich materialisiert?
Man hat ja schon seinen eigenen Stil. Aber es stimmt, das Produkt, das auf den Markt kommt, ist nie das Produkt von einem allein. Die Idee mag zwar meine sein. Aber sie wird schließlich etwas, in dem die DNA des Kunden auch drinnen steckt. Man bekommt also immer Hanne Willmann plus noch jemand. Manchmal denkt man sich schon, man hätte jetzt sein Baby weggegeben, aber das kommt sehr auf den Hersteller an. Aber im besten Fall, wie beim Tablett etwa, bekommt das Ding noch einen Mehrwert. Wir werden es zum Beispiel auch in Farbe versuchen. Und da kommt die Kreativdirektorin von Schönbuch, Carolin Sangha, ins Spiel, sie ist die „Farbgöttin". Wenn man eitel ist, ist es schwer für einen Designer. Wenn man’s nicht ist, profitiert man. Dann und wann auf den Tisch hauen schadet aber auch nicht.

Ist es nicht auch einer der Unterschiede zwischen der Design- und der Kunstproduktion, neben vielen anderen, dass Designer oft eher über die „Social Skills" verfügen, dass sie überhaupt ihre Ideen ausverhandeln können?
Ich kenne noch sehr viele Designer aus dem Studium, viele davon, wie ich finde, sind viel talentierter als ich. Aber sie bleiben auch zuhause mit ihren Entwürfen, haben keine Lust, auf Veranstaltungen, Messen zu gehen oder auf Leute zuzugehen. Sie haben keinen Spaß daran. Da sind Genies darunter, die ihr Genie nicht vermarkten können. Das ist schade. Ich als Designerin vermarkte natürlich nie nur die Produkte, sondern immer auch mich. Wer das nicht mag, der hat es schwer, als Designer voranzukommen.

Lichtring. Die Leuchte „Astrée“ entwarf Willmann für den Hersteller Harto.
Lichtring. Die Leuchte „Astrée“ entwarf Willmann für den Hersteller Harto. (c) Beigestellt

Man wird ja auch gern in Beschlag genommen als junge Designerin. Einmal Salon Satellite in Mailand, dann Future Talent Award, schon schwören sich alle ein auf einen Namen, so ist es auch Sebastian ­Herkner widerfahren.
Ja, wenn ich ein kleines Label wär’, würde ich auch bei Sebastian anrufen und seinen Namen für mich nutzen. Allein als Multiplikator. Er hat sicher über 30.000 Follower auf Instagram. Und das sind eine Menge Leute in der Möbelbranche, die man erreichen kann. Ich hab nur 2200 Follower, ich bin bei Weitem nicht so bekannt. Aber viel entscheidender ist: Ich habe bei Weitem nicht so viel Spaß daran, etwas auf Instagram zu ­posten.

Doch diese Dynamik, dass man schnell in den Medien herumgereicht wird, die haben Sie doch auch erlebt?
Ja, die Presse war immer schon einen Schritt voraus. Da war ich „Newcomer"-Designerin, als ich eigentlich gerade Absolventin war. Langsam fühlte ich mich als „Newcomer"-Designerin, da habe ich schon „Star-Designerin" gelesen. Manchmal denke ich schon: Kommt doch mal runter. Aber vielleicht ist es auch gerade deshalb, dass schon länger keine Frau im Design selbstständig erfolgreich war. Mein Geschlecht spielt sicher eine Rolle. Einmal wollte ein Fußboden-Hersteller meinen Namen draufsetzen auf seine schon fertigen Entwürfe. Da habe ich gesagt: Nein danke. 

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