Masern: "Aufklärendes Impfgespräch" soll kommen

In Österreich sind zu viele Menschen nicht gegen Masern geimpft, sodass kein sogenannter Herdenschutz gegeben ist.
In Österreich sind zu viele Menschen nicht gegen Masern geimpft, sodass kein sogenannter Herdenschutz gegeben ist.(c) Getty Images/Image Source
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Nach dem Masernausbruch in der Steiermark werden Forderungen nach einer Koppelung von Impfungen an Sozialleistungen laut. Die Gesundheitsministerin hält sich bedeckt.

Wien. Die zwei Dutzend Masernerkrankungen in der Steiermark haben die seit Jahren immer wieder aufkeimende Debatte um eine Impfpflicht erneut entfacht. Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) hat sich – ebenso wie Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) – bereits gegen eine solche Pflicht ausgesprochen und setzt auf ein „aufklärendes Impfgespräch“. Auch Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres sieht in einer Impfpflicht „nicht die Lösung des Problems“. Die Knüpfung von Sozialleistungen an Impfungen im Rahmen des Mutter-Kind-Passes – wie von vielen, etwa der Landesregierung in der Steiermark, gefordert – kann er sich hingegen vorstellen.

1 Wie stark ist die derzeitige Masernausbreitung?

Zwar war die Situation in Österreich schon einmal schlechter, doch gab es im vergangenen Jahr 8,8 Fälle pro einer Million Einwohner, wie Zahlen des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) zeigen. Derzeit gibt es einen Masernausbruch in der Steiermark. Österreichweit gab es im vergangenen Jahr 77 Masernfälle, davon 44 in Wien. In diesem Jahr waren es bereits 24 Fälle, 40 Prozent betrafen Kinder unter fünf Jahren. Österreich befindet sich zwar nicht unter jenen Ländern mit den meisten Fällen (wie etwa Italien, Frankreich und Griechenland), aber es gibt viel Luft nach oben. Länder wie Luxemburg (vier Fälle), Malta (fünf), Dänemark (sechs), Finnland (acht), Estland (zehn), Slowenien (zehn), Norwegen (zwölf) und Ungarn (13) lagen deutlich darunter.

2 Ist in Österreich irgendjemand verpflichtet, sich impfen zu lassen?

Nein, nicht einmal Gesundheitspersonal muss sich impfen lassen. In diesem Bereich wäre laut dem Wiener Kinder- und Jugendarzt Rudolf Schmitzberger wegen der besonders hohen Ansteckungsgefahr der verpflichtende Nachweis eines Impfschutzes sinnvoll. Bei Nichterbringen dieses Nachweises wäre ein Arbeitsverbot in bestimmten Abteilungen wie etwa Neugeborenenstationen, Geburts- und onkologischen Abteilungen notwendig. Diskutiert werden sollte laut Schmitzberger zudem der Nachweis eines Impfschutzes vor dem Eintritt in Einrichtungen wie Kindergärten, Schulen und Universitäten. In angelsächsischen Ländern und den USA wird das bereits sehr erfolgreich praktiziert.

Die Verankerung der Impfung im Mutter-Kind-Pass, wie derzeit von vielen gefordert, bedarf einer bundesgesetzlichen Regelung. Seitens des Gesundheitsministeriums hieß es auf „Presse“-Nachfrage, dass ein „aufklärendes Impfgespräch“ – wie schon Ende 2018 angekündigt – im Mutter-Kind-Pass verankert werde. Zu einer möglichen Koppelung an Sozialleistungen wollte sich der Sprecher der Ministerin nicht äußern.

3 Wie ist es bei Masern um den Impfschutz in Österreich bestellt?

In Österreich sollten an sich mehr als 95 Prozent („Herdenschutz“) der Kinder zweimal (im Abstand von einem Monat) gegen Masern (Masern, Mumps, Röteln, MMR-Dreifachimpfung, seit den 1970er-Jahren im Einsatz) immunisiert werden. Das ist nicht der Fall, wodurch die Impfrate zu gering ist, um Übertragungen und Ausbrüche zu vermeiden. Sechs Prozent der Zwei- bis Fünfjährigen, das sind etwas mehr als 20.000 Kinder, sind gar nicht gegen Masern geimpft. Etwa zehn Prozent aller geimpften Kinder sind kein zweites Mal geimpft. Das sind fast 39.000 Kleinkinder und mehr als 37.000 Schulkinder. Dabei ist die MMR-Impfung ab dem zehnten Lebensmonat für alle gratis, nach einer zweimaligen Impfung besteht in der Regel ein lebenslanger Impfschutz.

4 Wie gefährlich sind die Masern eigentlich?

Masern sind keine harmlose Kinderkrankheit. In 20 Prozent der Fälle treten Komplikationen wie Mittelohr- und Lungenentzündungen auf. Bei zwei von 1000 Fällen sind Gehirnentzündungen die Folge – mit dramatischen Verläufen bis hin zu Todesfällen. Die Viruserkrankung wird durch Tröpfcheninfektion übertragen. Die Inkubationszeit beträgt acht bis zehn Tage. Erste Symptome sind Fieber, Husten, Schnupfen und gerötete Augen. Nach etwa 14 Tagen beginnt der Hautausschlag, das Masernexanthem. Vier Tage vor bis vier Tage nach dem Hautausschlag ist die Erkrankung ansteckend.

5 Eine Masernerkrankung stärkt das Immunsystem – stimmt das?

Nein, das Gegenteil ist der Fall. Eine Masernerkrankung schwächt das Immunsystem nachhaltig, sodass die Betroffenen jahrelang deutlich anfälliger für alltägliche Infektionskrankheiten sind.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2019)

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