Venezuela: Nervenschlacht um die Macht

Juan Guaidó posaunt seine demokratische Überzeugung hinaus – mit der Verfassung in der Hand.
Juan Guaidó posaunt seine demokratische Überzeugung hinaus – mit der Verfassung in der Hand. (c) REUTERS (Carlos Garcia Rawlins)
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EU-Parlament sprach sich für Juan Guaidó als Übergangspräsidenten aus. Guaidó baut über Europa und die USA Druck auf das Maduro-Regime auf, das auf Moskau und Havanna setzt.

Wien/Caracas. Die Macht des Europaparlaments ist eher eine symbolische, und genau so war die Abstimmung über die Anerkennung Juan Guaidós als Venezuelas Übergangspräsident auch gedacht – zumal der 35-Jährige als Parlamentspräsident ja auch ein Kollege der EU-Parlamentarier ist. Doch das Votum in Brüssel erhöht nach Wunsch Guaidós den Druck europäischer Regierungen in Madrid, London, Paris oder Berlin auf das Maduro-Regime in Caracas. Sie fordern rasche Neuwahlen in Venezuela, worüber auch die EU-Außenminister in Bukarest berieten.

In Caracas macht sich im Miraflores-Palast, dem Präsidentensitz, derweil zunehmend Nervosität breit. So kursieren in der venezolanischen Hauptstadt Gerüchte über eine leere russische Passagiermaschine, die womöglich Gold und Devisen nach Moskau gebracht hat. Dies ergibt insofern Sinn, als russische Medien Moskau als mögliches Exil für Nicolás Maduro, den in Bedrängnis geratenen und mit Russland im Bunde stehenden Präsidenten, ins Spiel gebracht haben. Jüngst gab er nach einem Gespräch mit Wladimir Putin der russischen Nachrichtenagentur Ria Nowosti ein Interview über eine verstärkte Wirtschafts- und Militärkooperation, was indessen wohl gegen einen freiwilligen, vorzeitigen Abgang Maduros spricht.

Telefonat mit Trump

Denn noch klammert er sich an die Macht, zeigt sich bei jeder Gelegenheit mit den Militärs und warnt die USA vor einem „neuen Vietnam“. Einerseits droht er Guaidó und der Opposition mit Repressalien, mit Ausreiseverbot und dem Einfrieren von Bankkonten. Zugleich signalisiert der 56-jährige Chávez-Nachfolger Gesprächsbereitschaft über eine politische Lösung, die allerdings keine Neuauflage der Präsidentenwahl inkludiert. Das gehört zu seiner Strategie, dem Vernehmen nach ausgetüftelt von kubanischen Masterminds.

Während sich Maduro an Moskau und Havanna orientiert, richtet sein Gegenspieler Juan Guaidó sein Augenmerk neben Europa vor allem auf Washington. Zuletzt telefonierte er mit Donald Trump, woraufhin der US-Präsident umgehend twitterte: „Der Kampf für die Freiheit hat begonnen.“ Guaidó versucht nach Kräften, über die USA den Druck auf das Maduro-Regime zu steigern.

In einem Gastkommentar in der „New York Times“ erklärte er die miserable Lage Venezuelas als seine primäre Antriebsfeder. Schon als Student habe er 2007 in vorderster Reihe gegen Hugo Chávez gekämpft, und als Andenken an seinen Einsatz würden noch heute Schrotkugeln in seinem Körper zeugen. „Dieselbe Generation der Brüder und Schwestern der Studentenbewegung steht heute an meiner Seite.“ 50 Staaten hätten ihn oder das Parlament als legitime Autorität in Venezuela anerkannt, mehr als 80 Prozent der Venezolaner würden die Maduro-Regierung ablehnen, argumentiert die junge Galionsfigur.

Zugleich bestätigt Guaidó, worüber US-Medien bereits berichtet haben – nämlich, dass er hinter den Kulissen mit Militärs über einen Sturz Maduros und eine Übergangsregierung Sondierungen geführt und ihnen Amnestie zugesichert habe. „Der Übergang wird die Unterstützung militärischer Schlüsselpositionen erfordern.“ Ein Großteil der Armee, lautet seine Einschätzung, halte das Maduro-Regime für nicht mehr tragbar.

Kundgebung in Florida

In den USA baut sich indessen wirtschaftlich wie politisch Druck gegen die Regierung in Caracas auf. Sicherheitsberater John Bolton wirkte auf die Verantwortlichen von Citgo ein, die US-Tochterfirma der staatlichen Ölgesellschaft Venezuelas. Vizepräsident Mike Pence wird heute an der Seite Marco Rubios, des einflussreichen republikanischen Senators, in Miami eine Kundgebung vor der venezolanischen Exilgemeinde in Florida abhalten, um so seine Unterstützung für Guaidó zu signalisieren.

Pence und Rubio sind – neben Leopoldo López, dem Mentor Guaidós in Venezuela – in den USA die Drahtzieher für den Aufstieg des Parlaments- zum Interimspräsidenten. Sie haben sich bei Donald Trump für ihn eingesetzt. Während Rubio hinter den Kulissen unermüdlich die Fäden zog und das Thema Venezuela im Weißen Haus bei seinem früheren internen Rivalen Trump auf die Agenda setzte, trat der Vizepräsident als öffentlicher Fürsprecher Guaidoś auf und hielt telefonisch Kontakt zu ihm.

AUF EINEN BLICK

Übergangspräsident. Das EU-Parlament in Brüssel hat sich für Juan Guaidó als Interimspräsidenten in Venezuela ausgesprochen – wie zuvor die USA, Kanada, Brasilien, Argentinien, Kolumbien und eine Reihe anderer lateinamerikanischer Staaten. Spanien, Deutschland und Frankreich treten für rasche Neuwahlen ein – andernfalls drohen sie ebenfalls, Guadió als Übergangspräsidenten anzuerkennen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2019)

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