Kundenkarte: Wer im Klub sein will, zahlt mit Daten

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Millionen Österreicher brauchen bei Billa, OMV und Co. bald nur eine Karte. Das sei zu ihrem Vorteil. Den Firmen passt es auch in den Plan.

Wien. Früher gab es den Greißler. Der Greißler kannte jeden Kunden persönlich und schlug ihm das Passende vor, sagt Marcel Haraszti. Nicht, dass Haraszti gern Greißler wäre. Aber für die individuelle Ansprache muss der Rewe-Chef bei 2500 österreichischen Filialen (Billa, Bipa, Merkur) deutlich mehr Hebel in Bewegung setzen. Elf Millionen Vorteilskarten haben seine Händler heute in den Geldbörsen von vier Millionen Kunden im Umlauf, um noch zu wissen, wer wann wo was und mit welcher Zahlungsart kauft – und welche Werbung und Aktion ihm gefallen könnte.
Diese vier Millionen Kunden sollen genau wie jene von OMV-Tankstellen, Bawag-Banken, Interio-, Libro- und Pagro-Filialen Anfang Mai freudig „Jö!“ rufen. Denn dann gehen alle ihre Kundenkarten in einer einzigen großen Karte samt gemeinsamen Bonuspunkteprogramm namens Jö auf.

„Würden Geschäft schädigen“

„Da entsteht ein Datengigant, der Zugang zu allen möglichen Quellen hat“, sagt WU-Handelsprofessor Peter Schnedlitz. Wie das datenschutzrechtlich geregelt sei, werde man sehen.

Solche Zweifel wollten die Jö-Partner bei ihrer Präsentation am Freitag rasch ausräumen: „Verlässlicher Datenschutz“ sei selbstverständlich, sagte Ulrike Kittinger, die die eigens gegründete Rewe-Tochter Bonusclub GmbH leitet. Ihre Mitarbeiter würden die Daten für alle Partner unabhängig verwalten und zu Werbe- und Sortimentszwecken auswerten. Man gebe sie nie an Dritte weiter und reiche sie auch nicht unter den Firmen herum. „Sonst würden wir unser Geschäft schädigen.“

Zu frisch ist in den Köpfen die jüngste Datenaffäre um die Post. Relativ präsent ist Verbraucherschützern aber auch der Start des ersten dieser Multipartnerprogramme namens Payback. Als Flaggschiff stieg vergangenen Mai die Drogeriekette DM ein. Beim VKI-Experten Bernd Lausecker meldeten sich daraufhin einige besorgte Kunden. Entweder fragten sie: „Wer hat bei solchen großen Zusammenschlüssen überhaupt meine Daten?“ Oder sie klagten, dass die Rabatte, die sie im Austausch dafür bekamen, sehr bescheiden waren. „Die Daten werden zu minimalen Vergütungen eingesammelt“, sagt Lausecker. Bonusprogramme sind ein „Bindungsinstrument“, „keine karitative Einrichtung“. Ob man zum gläsernen Konsumenten werde, entscheide sich im „Spannungsfeld zwischen Bequemlichkeit und Beunruhigung“. Wobei die Bequemlichkeit meistens siege. Das zeigen auch die Zahlen, die DM der „Presse“ vorlegt: Gut 1,8 Millionen Kunden hätten mittlerweile die Payback-Karte, so viele wie vor der Umstellung. „Sehr viele Menschen haben schlicht keine Lust mehr, unterschiedliche Bonusprogramme parallel im Auge zu behalten, sondern wünschen sich eine einfache Mechanik, die bei möglichst vielen Partnern eingesetzt wird“, sagt Marketingchef Harald Bauer.

Gleich argumentiert Haraszti: Der Österreicher führe 14 Kundenkarten in seiner Geldbörse spazieren, es reiche ihm. Der triftigste Grund gegen eine weitere Mitgliedschaft sei die Karte. Also mache man ihm das Leben einfacher. „Die Frage ist nicht, welchen Vorteil es uns bringt, sondern, welchen Vorteil es den Kunden bringt“, betont er.

Dennoch muss eine Frage erlaubt sein: Was hat ein Unternehmen wie Rewe, das bisher laut Handelsforschern die größten Kundenklubs und einen ordentlichen Datenberg verwaltet hat, von einer Allianz mit branchenfremden Firmen? Vor allem, da alle Beteiligten betonen, nicht die Datenberge der anderen anzuzapfen?

Was lockt den Kunden?

Haraszti beantwortete das beiläufig selbst: „Wir wollen uns stärker in den Alltag unserer Kunden integrieren.“ Dafür bieten sich etwa die Paket- und Bargeldservices in den Billa-Filialen an. Und schon 2017 ließen die Billa-Vorstände durchblicken, dass man an einem größeren Ökosystem bastelt. Die Gründung des größten Multipartnerprogramms im Land, das heuer noch um eine Handvoll Firmen wachsen soll, passt gut ins Bild.
Die Partner sehen die zugkräftige Allianz ihrerseits als Türöffner. OMV-Manager Klaus Jürgen Schneider formulierte es am Freitag so: „Wir denken darüber nach, was dem Kunden einen Mehrwert bringt, um ihn an unsere Tankstelle zu locken.“ Nach eigenen Bank-, Paketservices und Lotto seien das die Rabattpunkte.

Sprich: Es braucht wohl keinen internen Datenabtausch, damit es sich rechnet. Die Firmen bauen auf den Reiz des Bonussystems – und darauf, dass der Kunde seine Daten selbst vorbeibringen wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.02.2019)

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