Wohnbau: Mit sozialem Hintergrund

Wohnbau sozialem Hintergrund
Wohnbau sozialem Hintergrund(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Public-Private-Partnership-Modelle sollen dabei helfen, in aufstrebenden Volkswirtschaften von Tschechien bis Rumänien erschwinglichen Wohnraum zu schaffen.

Blickt man aus dem Flugzeug hinunter auf Warschau, stechen vor allem die unzähligen großvolumige Wohnanlagen, die Plattenbauten, ins Auge. Beliebt sind sie bei ihren Bewohnern, egal, ob in der polnischen Hauptstadt, in Tschechien, Bulgarien oder Rumänien, zumeist nicht. Neue, moderne Alternativen, wie sie internationale Developer in den CEE-Regionen gebaut haben und derzeit entwickeln, sind aber für die wenigsten erschwinglich.

Neues oft nicht erschwinglich

Angesprochen auf die Wohnungspreise erläutert der Leiter des Polen-Geschäfts bei der UBM Realitätenentwicklung AG, Peter Obernhuber, für Warschau: „Es gibt eine freie Preisbildung, und im Zentrum werden von einem Wohnbauträger gerade Einheiten um 7000 Euro pro Quadratmeter entwickelt.“ Das sind Werte, wie man sie auch bei uns kennt – wobei der Durchschnittslohn in Polen gerade einmal ein Viertel des unseren beträgt.

Ein anderer heimischer Developer hat sich aus dem Wohngeschäft in Osteuropa gänzlich zurückgezogen. „Die Mittelschicht ist einfach weggebrochen, weil es an den Finanzierungen fehlt“, sagt Markus Neurauter, Geschäftsführer von Raiffeisen evolution.

Wo der freie Wohnungsmarkt herrscht, wie beispielsweise in Polen, besteht die Gefahr, dass sich Wohnbauträger zurückhalten. Der Ex-Vizekanzler und Osteuropa-Experte Erhard Busek hatte dies gegenüber der „Presse“ bereits in Richtung der westeuropäischen Investoren in CEE zu bedenken gegeben: „Es gibt leider keine Schiene, die Richtung sozialer Wohnbau geht.“ Statistiken belegen dies: Drei Viertel der Wohnungen in Polen etwa sind in Privatbesitz, und bei Mietwohnungen gibt es den sozialen Wohnbau praktisch nicht. Der Wohnraum pro Person ist mit 24Quadratmetern außerdem recht bescheiden.

Nachholbedarf bei Mietwohnungen

Die Anzahl der Neubauten wird diesem Umstand kaum gerecht. Die Fertigstellungsraten liegen in allen CEE-Ländern noch weit hinter dem EU-Durchschnitt. Insbesondere im sozialen Mietwohnungsbereich gibt es daher Defizite, wie das Institut für Immobilien Bauen und Wohnen (IIBW) in einer Studie zur Lage in Osteuropa festgestellt hat. Es gibt aber auch Vorschläge, die für in Entwicklung befindliche Volkswirtschaften Anlass zur Hoffnung geben. Mittels Public-Private-Partnership-Modellen (PPP) beispielsweise könne nämlich günstigerer Wohnraum geschaffen werden, meint man beim IIBW. Dabei wird Wohnbauunternehmen, die sich engagieren, staatliche finanzielle Sicherheit eingeräumt und im Gegenzug der Profit limitiert. In Rumänien ist dazu schon ein eigenes Gesetz in Ausarbeitung, und in anderen osteuropäischen Ländern wird darüber nachgedacht. Die dafür notwendige öffentliche Kostenbeteiligung wird von den Experten des IIBW auf 20 bis 30Prozent der Gesamtaufwendungen geschätzt.

Profitables Wirtschaften bei gleichzeitig sozialer Ausrichtung des Wohnbaus ist machbar. Dies zeigen auch internationale Beispiele. In der Türkei etwa wird ein PPP-Modell erfolgreich betrieben. In den letzten sieben Jahren wurden auf dieser Basis nicht weniger als 420.000Wohnungen errichtet. Einerseits vergibt dort eine staatliche Agentur langfristige, günstige Kredite, und andererseits besichert sie die Immobilien auch.

Profitable Kombination

Für alle Beteiligten dürfte sich das Engagement lohnen. Erdogan Bayraktar, Leiter der Entwicklungsagentur Toki, nannte am Rande der Immobilienmesse MPIM Zahlen und versuchte so, die internationalen Developer vom Erfolg der PPP-Strategie zu überzeugen: „Der Verdienst aus den bisherigen Aktivitäten liegt bei fünf Milliarden Euro, die private Projektbetreiber lukrieren konnten, und noch einmal fünf Milliarden Euro, die vom Staat eingenommen wurden.“ Gewinne und sozialer Wohnbau wären also seiner Meinung nach kombinierbar.

Ähnlich wie in der Türkei ging man in Brasilien vor, um das Wohnungsproblem in den Griff zu bekommen. Insgesamt wurden seit 2003 eine Million zusätzlicher Wohnungen errichtet. Ziel des staatlichen Programms „Meine Wohnung, mein Leben“ ist es, vor allem für Einkommensbezieher von Minimumgehältern, Wohnraum zu schaffen. „Letztlich haben wir das Familieneinkommen, das zum Erwerb einer Wohnung notwendig ist, von umgerechnet 1845 Euro auf unter 600 Euro gesenkt“, ist die Direktorin des staatlichen Finanzierungsunternehmens, Caixa Econômica Federal Brasil, Maria Coelho, zufrieden.

Der brasilianische Weg

Damit würden rund 30Millionen zusätzliche Familien auf einmal Wohnraum finanzieren können. Durchgeführt wurden die rund 600 einzelnen Wohnbauprojekte, die seit 2003 ein Investitionsvolumen von insgesamt 24,6Milliarden Euro auslösten, von Privaten. Die veräußern die Wohnungen an die staatliche Bank, die sie schließlich an die neuen Siedler vergibt. Das Wohnbauprogramm geht demnächst in die zweite Phase und sollte, dank des Erfolgs, auch nach einem eventuellen politischen Wechsel weitergeführt werden – im Oktober dieses Jahres wird gewählt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.04.2010)

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