Steiermark: Bald die Hälfte der Gemeinden vor Kollaps

Politik will Regionen, Wirtschaft weniger Gemeinden.

Graz/Köflach. Auf die weststeirische Gemeinde Köflach wartet am Montag ein verspätetes Ostergeschenk. Zwei Tage, bevor sich am Mittwoch der neue Gemeinderat konstituieren wird, nimmt sich nämlich die Landesregierung der prekären Finanzlage der Stadt an. So steht auf der Tagesordnung der Regierungssitzung auf Antrag der SPÖ eine Finanzspritze für Köflach in der Höhe von 900.000 Euro. Damit soll das Budgetloch der 10.000-Einwohner-Stadt etwas gestopft werden.

Allein im vergangenen Jahr hat es einen Abgang von 970.000 Euro gegeben. Der Gesamtschuldenstand ist laut örtlicher ÖVP bereits auf rund fünfzig Millionen Euro angewachsen. „Stimmt nicht“, wehrt SPÖ-Bürgermeister Wilhelm Zanger gegenüber der „Presse“ ab: „Ich weiß nicht, woher diese Zahlen kommen, das sind Falschaussagen.“ Dass in der Vergangenheit wirtschaftliche Fehler gemacht wurden, bestreitet er allerdings nicht. Details will er mit Hinweis auf eine laufende, von der Bezirkshauptmannschaft seit Jahren geforderte Prüfung durch die Gemeindeaufsicht des Landes aber nicht nennen. Der abdankende VP-Vizebürgermeister Adolf Kern schon: Er verweist auf das neu errichtete Rathaus („Das braucht niemand“), auf den Bau des Kunsthauses („Eine widersinnige Investition“) oder notwendige Zusatzinvestitionen beim neuen Sportstadion. Dazu kommen finanzielle Verpflichtungen bei der ebenfalls neuen Therme – ein Projekt, das der VP-Mann aber verteidigt. „Weil: Nichts zu tun ist auch nicht richtig.“ Als eine spürbare Folge der finanziell angespannten Situation mussten unter anderem die Wasser- und Kanalgebühren um vierzig Prozent empfindlich angehoben werden.

Vorstoß für Zusammenlegung

Köflach ist aber nicht die einzige Kommune in der Steiermark, die finanziell auf wackligen Beinen steht. 119 von 542 steirischen Gemeinden haben 2008 schon kein positives Budget mehr zustande gebracht. Im vergangenen Jahr waren es 150, für heuer werden 250 prognostiziert. Gerade die steirischen Gemeinden sind aufgrund der Bevölkerungsentwicklung durch den Finanzausgleich massiv benachteiligt.

Die Landespolitik antwortet auf diese besorgniserregende Entwicklung mit neuen Regionskonzepten. Dabei präferieren SPÖ und ÖVP aber unterschiedliche Modelle: Während die SPÖ statt 16 Bezirken nur mehr sieben Großregionen will, setzt die ÖVP auf achtzig Kleinregionen. Als Kompromiss wird zögernd an der Umsetzung von beidem gearbeitet.

Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer (WK) drängen dagegen auf Gemeindezusammenlegungen. Gerade rund um Köflach schwebt der WK eine Verschmelzung mit der Bezirkshauptstadt Voitsberg sowie den Nachbargemeinden Bärnbach, Rosental und Maria Lankowitz vor. Auf einen Schlag wäre dieser „Melting Pot“ im ehemaligen weststeirischen Kohlerevier mit insgesamt 30.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt der Steiermark. Dadurch würde es auch mehr Geld aus dem Finanzausgleich geben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10. April 2010)

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