„Redliche“ Unternehmer sollen schneller schuldenfrei sein

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Gescheiterte Unternehmer sollen mit einer EU-Richtlinie schneller eine zweite Chance bekommen. Auch indem sie sich binnen drei Jahren entschulden können. Die Dauer des Privatkonkurses könnte auch für Konsumschuldner gesenkt werden. Gläubigerschützer sehen das kritisch.

Wien. Es gibt diesen Sager, dass es die Österreicher nicht so mit dem Scheitern haben. Gern wird dabei der Vergleich mit den USA gezogen, wo es angeblich zum guten Ton gehört, als Unternehmer schon einmal Schiffbruch erlitten zu haben. Aktuell nimmt eine EU-Richtlinie Gestalt an, die das unternehmerische Scheitern gesellschaftsfähiger machen soll. Nach dem Motto: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Ein bankrotter Unternehmer soll die Möglichkeit bekommen, sich „innerhalb eines Zeitraums von höchstens drei Jahren vollständig zu entschulden“, heißt es in dem EU-Papier. Auch dann, wenn er mit seinem Privatvermögen haftet und deshalb Privatkonkurs anmelden muss.

In Österreich meldeten voriges Jahr 10.024 Menschen einen Privatkonkurs an. „Rund ein Viertel davon waren Unternehmer“, sagt Clemens Mitterlehner, Geschäftsführer der Schuldnerberatungen in Österreich. Sie haben in der Regel höhere Schulden angehäuft als Private, die in die Pleite schlittern: Aus den 118.030 Euro, mit denen Ex-Selbstständige durchschnittlich verschuldet sind, sind die echten Extrembeträge schon herausgerechnet. Im Schnitt landen Menschen mit 64.000 Euro Schulden im Privatkonkurs.

Auch für Verbraucher

Die EU-Kommission will, dass diese gescheiterten Selbstständigen schneller wieder auf die unternehmerischen Beine kommen. „Redliche Unternehmer sollten eine zweite Chance bekommen, statt dafür bestraft zu werden, dass ihr erster Versuch nicht funktioniert hat“, sagte EU-Justizkommissarin Věra Jourová nach der Einigung im EU-Rat in Oktober.

Und da wird es heikel. Denn was „redlich“ genau bedeutet, ist Auslegungssache. „Da muss man sich schon fragen, wie wir die Spreu vom Weizen trennen“, sagt Insolvenzexperte Hans-Georg Kantner vom Kreditschutzverband. Er hält es grundsätzlich für gut, unternehmerisches Risiko zu fördern, stört sich aber vor allem an einem anderen Punkt: In dem Vorschlag, auf den sich das europäische Parlament, der Rat und die Kommission geeinigt haben, wird nämlich empfohlen, die gleichen Regeln auch für bankrotte Verbraucher anzuwenden. Gläubigerschützer Kantner sieht das kritisch. „Es ist ein Unterschied, ob jemand unternehmerisches Risiko getragen oder sich zu leichtfertig verschuldet hat.“ Letzteres treffe auf die Hälfte der privaten Pleitiers zu. Er meint Leute, die zu großzügig mit Geld umgehen und etwa auf Kredit Urlaub machen. Die andere Hälfte schlittere durch Krankheit, Arbeitslosigkeit oder andere Schwierigkeiten in die Pleite. Konsumkredite sind in Österreich auf dem Vormarsch und kämen zunehmend in der Mittelschicht an, warnt die Schuldnerberatung.

Im Sommer soll ein Gesetzestext des EU-Parlaments zur neuen Regelung von Insolvenzen vorliegen. Die Umsetzung in Österreich ist dem Vernehmen nach für Herbst 2020 geplant.

Drei Jahre schon jetzt möglich

Mitterlehner von der Schuldnerberatung ist dagegen, beim Privatkonkurs zwischen Unternehmern und Privaten zu unterscheiden. Oft sei das ein Graubereich: Viele Ex-Selbstständige seien Ein-Personen-Unternehmen, darunter zum Beispiel auch selbstständige Zeitungsausträger, die keine Unternehmer im eigentlichen Sinn seien. Es ist schon jetzt möglich, sich mittels Privatkonkurses binnen drei Jahren zu entschulden. Aber nur, wenn man 50 Prozent der Schulden zurückzahlen kann. Das gelinge aber nur sehr wenigen, außerdem laufe die Regelung aus, sagt Mitterlehner.

Der Privatkonkurs wurde in Österreich zuletzt 2017 reformiert: Damals fiel die Mindestquote für die Entschuldung weg, und das Abschöpfungsverfahren, in dem der Pleitier bis auf das Existenzminimum gepfändet wird, wurde von fünf auf sieben Jahre verlängert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.02.2019)

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