Russland will Reichweite von Mittelstreckenraketen erhöhen

Russland zeigt nach dem Ende des INF-Vertrags Handlungsstärke. Im Bild ein Rüstungsgegner mit Putin-Maske bei einer Protestaktion in Berlin.
Russland zeigt nach dem Ende des INF-Vertrags Handlungsstärke. Im Bild ein Rüstungsgegner mit Putin-Maske bei einer Protestaktion in Berlin.imago/ZUMA Press
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Kaum ist der Abrüstungsvertrag INF auf dem Abstellgleis, kündigt Russland die Entwicklung neuer Raketen mit Reichweite von mehr als 500 Kilometern an.

Nach dem Aussetzen des wichtigen INF-Abrüstungsvertrags für atomar bestückbare Mittelstreckenwaffen durch die USA und Russland will Moskau schnell neue Raketen mit höherer Reichweite bauen. "Jetzt kommt es darauf an, die Reichweite der heute zu entwickelnden bodengestützten Raketensysteme zu erhöhen", sagte Verteidigungsminister Sergej Schoigu am Dienstag nach Beratungen in seinem Ministerium.

Präsident Wladimir Putin hatte zuvor erklärt, die Regierung in Washington habe deutlich gemacht, dass sie in die Entwicklung neuer Raketen einsteigen wolle. Moskau werde dasselbe tun. Beginnen solle das russische Militär mit der Entwicklung landgestützter Abschussgeräte für Kalibr-Raketen, die bisher auf Schiffen stationiert sind. Außerdem solle an der Entwicklung von Hyperschallraketen mit größerer Reichweite gearbeitet werden, die mit mindestens fünffacher Schallgeschwindigkeit auf ihr Ziel zusteuern.

Die Entwicklung solcher Waffen solle bereits in Kürze beginnen, erklärte Schoigu. Einen genauen Zeitpunkt nannte er nicht. Sie sollten weiter als 500 Kilometer fliegen können - der INF-Vertrag erlaubte eine solche Reichweite nicht. Als Zeitraum für die Entwicklung nannte Schoigu dieses und nächstes Jahr. Laut der Nachrichtenagentur Reuters sollen die landgestützten Systeme bis 2021 einsatzbereit seien. Nach Einschätzung von US-Experten gibt es die landgestützte Version des Kalibr-Marschflugkörpers bereits.

Rakete mit Schallgeschwindigkeit bald einsatzbereit

Russland hatte bereits Ende vergangenen Jahres einen neuen Raketentyp mit Hyperschallgeschwindigkeit bei einem Test von einer Basis südlich des Urals abgefeuert. Die Interkontinentalrakete könne mit 20-facher Schallgeschwindigkeit fliegen und nicht abgefangen werden, hieß es. Die Rakete "Avantgarde" solle bald in Dienst gestellt werden, kündigte Putin damals an. Damit werde die Sicherheit seines Landes in den kommenden Jahrzehnten gewährleistet.

Die USA und Russland hatten das mehr als 30 Jahre alte INF-Abkommen über das Verbot landgestützter atomarer Mittelstreckenraketen am Wochenende nacheinander ausgesetzt, weil sie sich gegenseitig Verstöße dagegen vorwerfen. Es bleibt aber noch eine halbjährige Kündigungsfrist, um den Vertrag zu retten. Die Abkürzung INF steht für "Intermediate Range Nuclear Forces", auf Deutsch: nukleare Mittelstreckensysteme.

INF-Vertrag aus dem Jahr 1987

Konkret werfen die Amerikaner und die Nato den Russen immer wieder vor, mit ihren Raketen vom Typ 9M729 (NATO-Code: SSC-8) gegen den Vertrag zu verstoßen, weil sie weiter fliegen als erlaubt. Russland bestreitet dies und sagt, die Marschflugkörper hätten eine Reichweite von maximal 480 Kilometern. Der 1987 vom damaligen US-Präsidenten Ronald Reagan und dem sowjetischen Staatschef Michail Gorbatschow unterzeichnete INF-Vertrag verbietet landgestützte Raketen und Marschflugkörper mit Reichweiten zwischen 500 und 5.500 Kilometern.

Mit dem Vertrag wurden erstmals zwei Kategorien von Atomwaffen verboten, was seinerzeit als "doppelte Nulllösung" bezeichnet wurde. Die Zerstörung dieser Waffen wurde gegenseitig kontrolliert. Bedroht von den verbotenen Mittelstreckenwaffen war vor allem Europa. Hier hatte es in den 1980er-Jahren eine breite Protestbewegung gegen die atomaren Mittelstreckenraketen gegeben.

Experten sehen in der Aufkündigung des INF-Abkommens ein mögliches Startsignal für ein neues Wettrüsten. Weil bodengestützte Mittelstreckenraketen günstiger sind, könnte Russland nun nach Ansicht von Verteidigungsexperten theoretisch mehr von ihnen in Reichweite von europäischen Zielen aufstellen. Putin hatte am Samstag aber versichert, solche Raketen nicht "in Europa oder anderen Regionen der Welt" zu stationieren, solange es die USA nicht täten.

(Red.)

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