Von Belfast nach Brüssel: May auf Brexit-Tour

Die britische Premierministerin Theresa May.
Die britische Premierministerin Theresa May.(c) REUTERS (TOBY MELVILLE)
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Die britische Premierministerin verspricht eine Lösung im Konflikt um Grenzkontrollen zwischen Irland und Nordirland. Aber das größte Hindernis am Weg zum EU-Austritt bleibt ihr eigenes politisches Lager.

London. Die britische Premierministerin Theresa May war am Dienstag noch nicht einmal in der nordirischen Provinzhauptstadt Belfast gelandet, da wurde bereits die nächste Reise bestätigt: May wird am morgigen Donnerstag zu Gesprächen mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nach Brüssel kommen. Im Mittelpunkt wird erneut die Auffanglösung für die innerirische Grenze (Backstop) zur Verhinderung einer harten Grenze stehen. Bisher hatte London formell keinen Antrag auf neue Gespräche gestellt und Brüssel betont, dass es nichts Neues zu verhandeln gebe. Verfrühtem Optimismus trat gestern sofort EU-Kommissionssprecher Margaritis Schinas mit der Warnung entgegen: „Wir müssen erst einmal abwarten, wie die Gespräche verlaufen.“

Dafür, dass May mit neuen Positionen oder Vorschlägen nach Brüssel kommen wird, gab es vorerst auch keine Anzeichen. In einer Rede in Belfast räumte sie gestern ein: „Ich weiß, dass dies eine besorgniserregende Zeit für viele Menschen in Nordirland ist.“ Zugleich aber versprach sie: „Wir werden einen Weg finden, den Brexit so umzusetzen, dass unserer Verpflichtungen gegenüber Nordirland wahrgenommen werden und eine Mehrheit im Londoner Unterhaus gefunden werden kann.“

Quadratur des Kreises

Das bleibt freilich weiterhin die Suche nach der Quadratur des Kreises. Arlene Foster, die Vorsitzende der nordirischen Unionistenpartei DUP, auf deren Unterstützung Mays Minderheitsregierung angewiesen ist, forderte in einem Radiointerview die Streichung des „giftigen“ Backstops aus dem Brexit-Deal, der vom britischen Parlament Mitte Jänner mit überwältigender Mehrheit abgelehnt worden war. Eine Woche später gab May ihre bisherige Position auf und unterstützte einen Parlamentsantrag auf Neuverhandlungen des Austrittsabkommens.

Foster stellte klar, dass die DUP „und alle Unionisten“ unverrückbar an der Position festhielten, unterschiedliche Regelungen zwischen Nordirland und dem übrigen Großbritannien verhindern zu wollen. Einen Hauch Flexibilität deutete die für ihre Unnachgiebigkeit bekannte DUP-Führerin aber an: Wie man zu einer derartigen Vereinbarung komme, sei „letztlich eine Frage der Semantik“. Sie ließ die Frage offen, ob ihre Partei einer rechtlichen Zusatzvereinbarung, die etwa die Dauer des Backstops befristen könnte, zustimmen würde.

Ähnliche Überlegungen stießen aber offenbar in einem Gespräch von EU-Generalsekretär Martin Selmayr und britischen Abgeordneten auf Widerstand. Der Juncker-Vertraute betonte dabei, zwar sei die EU nicht zu Neuverhandlungen über das Brexit-Abkommen bereit. Sehr wohl aber könne man sich eine rechtlich bindende Zusatzerklärung vorstellen, etwa mit der Zusicherung, dass die EU keine Absicht habe, auf die Auffanglösung zurückzugreifen. Nachdem Brexit-Hardliner in der britischen Delegation offenbar kein Entgegenkommen signalisierten, erklärte Selmayr via Twitter, er sei froh, dass die EU seit Dezember 2017 alle Vorbereitungen auf einen harten Brexit eingeleitet habe.

Angesichts der anhaltenden Pattstellung wurden in London erste Zweifel über den Zeitplan der Regierung laut. May hatte ankündigt, am kommenden Mittwoch mit einem neuen Austrittsvertrag erneut vor das Unterhaus zu treten und bereits einen Tag später darüber abstimmen zu lassen. „Das bleibt vorerst unsere Zielvorgabe“, hieß es dazu aus der Regierung. Hoffnung machte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. Für eine „politische Vereinbarung bleibt noch Zeit“, sagte sie. Das Ziel müsse eine „für alle akzeptable Lösung des Brexit-Rätsels“ sein.

„Alternative Vereinbarungen“

An Vorschlägen dafür schuftet seit Wochenbeginn auch eine Arbeitsgruppe, in der zwar der Brexit-Ultra Steve Baker mit der EU-Befürworterin Nicky Morgan zusammensitzt, aber einmal mehr kein einziger Oppositionsvertreter vertreten ist. Die Gruppe will Vorschläge ausarbeiten, die Großbritannien als „alternative Vereinbarungen“ zum Backstop vorlegen könnte. Dazu gehören ein System der gegenseitigen Anerkennung, technische Lösungen oder eine Vereinbarung über ausgewählte EU-Regeln. Aus Brüsseler Verhandlungskreisen hieß es dazu freilich: „Alles schon gehört, alles schon verworfen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.02.2019)

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