"Nie bei Opfern von Erl entschuldigt": Liste Fritz kritisiert ÖVP

Das Festspielhaus in Erl
Das Festspielhaus in ErlAPA
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Landeschef Platter und Kulturlandesrätin Palfrader seien in der Causa Erl ihrer politischen Verantwortung nicht nachgekommen, kritisiert die Tiroler Oppositionspartei. Der Fall dreht sich um Vorwürfe des sexuellen Übergriffs durch Ex-Intendant Kuhn.

Die Causa Festspiele Erl rund um Vorwürfe des sexuellen Übergriffs und des Machtmissbrauchs durch Ex-Intendant Gustav Kuhn hat am Mittwoch den Tiroler Landtag beschäftigt. Die oppositionelle Liste Fritz attackierte in der Fragestunde Landeshauptmann Günther Platter und Kulturlandesrätin Beate Palfrader (beide ÖVP) und warf ihnen vor, ihrer politischen Verantwortung nicht nachgekommen zu sein.

"Sie sind ihrer politischen Verantwortung nicht nachgekommen. Und sie haben sich beide nie bei den Opfern von Erl entschuldigt", sagte Liste Fritz-Abgeordneter Markus Sint in Richtung Palfrader und Platter. Das offizielle Tirol, wiewohl Subventionsgeber, habe Kuhn in Erl als "Dirigent, Intendant und Alleinherrscher" schalten und walten lassen und habe ihn "nicht sofort suspendiert", wie es angebracht gewesen wäre. Selbst als die massiven Vorwürfe bereits bekannt gewesen seien, habe Palfrader noch mit Kuhn das Festspielprogramm für 2018 präsentiert.

Sint: "Nicht einmal da sind sie aufgestanden"

Und Sint ging auf die Eröffnungsansprache von Festspielpräsident Hans Peter Haselsteiner im vergangenen Sommer ein. Dort hatte Haselsteiner über Kuhn, damals noch in Amt und Würden, gemeint: "Er macht - hoffentlich zum Ärger des Bloggers - noch immer keinen Hehl daraus, welche Vorlieben er hat. Und Wein, Weib und Gesang ist etwas, was wir gut nachvollziehen können". "Nicht einmal da sind sie aufgestanden und gegangen", so Sint in Richtung Palfrader und Platter, die der Eröffnung beigewohnt hatten. Auch nach Bekanntwerden der Vorwürfe hätten die Verantwortlichen in der Landesregierung Kuhn noch ihre Aufwartung gemacht.

Palfrader reagierte verärgert auf die Äußerungen Sints: "Die Liste Fritz, in ihrer kleinen Welt, ist ständig auf der Suche nach vermeintlichen Verfehlungen und spinnt Verschwörungstheorien". Zunächst hätten "nur" anonyme Vorwürfe von Frauen gegen Kuhn bestanden, nachdem sich aber Künstlerinnen namentlich in einem offenen Brief zu Wort gemeldet hatten, habe man reagiert. Überdies gelte auch für Kuhn die Unschuldsvermutung, so Palfrader, die auf die laufenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen verwies.

Die Äußerungen Palfraders ließen wiederum erneut Sint das Wort ergreifen. "Ihre Überheblichkeit und Arroganz sprechen für sich", kritisierte der Landtagsabgeordnete die Landesrätin und erklärte: "Wieder haben Sie kein Wort der Entschuldigung für die Opfer von Erl gefunden. Auch der Herr Landeshauptmann nicht". Platter hatte während der an Palfrader gerichteten Fragerunde nicht das Wort ergriffen.

Palfrader: Geld für "Vorbereitung der Darbietungen"

Thema der Fragestunde war unter anderem auch eine mögliche zweckwidrige Verwendung von Förderungen. 570.000 Euro an öffentlichem Geld seien an eine Künstler-Ausbildungsstätte geflossen, die Kuhn in einem Kloster in Lucca in der Toskana betreibt, so Sint. 240.000 Euro wiederum an eine Agentur in Neapel, als deren Geschäftsführerin die Lebensgefährtin von Kuhn fungiert. Einen Verwendungsnachweis, was mit Steuergeld passiere, hätten Kuhn und die Festspiele nicht erbringen müssen. Stimmt nicht, argumentierte Palfrader. Das Geld sei für die "Vorbereitung der künstlerischen Darbietungen" geflossen und daher im Sinne des Widmungszweckes verwendet worden. Proben seien damals im alten Festspielhaus in Erl nicht möglich gewesen, begründete Palfrader das Ausweichen in den Süden.

Voll des Lobes zeigte sich die Landesrätin über Haselsteiner: "Ich wollte, ich hätte für alle Kultureinrichtungen in Tirol so einen Mäzen wie ihn". Man könne "nur den Hut ziehen und dankbar sein", so die Landesrätin über den Industriellen und ehemaligen Liberales Forum-Politiker. Auch Kuhn selbst hob Palfrader hervor und nahm Bezug auf seine künstlerischen Leistungen in der Unterländer Gemeinde. Und der neu bestellte Intendant Bernd Loebe werde das "etwas ramponierte Bild", das die Festspiele derzeit abgeben, "gerade rücken", ergänzte die Kulturlandesrätin, die überdies betonte, dass das Land über die finanzielle Gebarung der Festspiele sowohl früher im Aufsichtsrat als auch jetzt im Stiftungsvorstand stets ein wachsames Auge geworfen habe. Für Nachzahlungen aufgrund von Verfehlungen habe es zudem "keine Sonderzuschüsse des Landes" gegeben.

Die anderen Parteien hielten sich indes in der Erl-Fragestunde zurück. Die Grünen als Koalitionspartner wollten etwa eine Beurteilung Palfraders bezüglich der künstlerischen Leistungen in Erl sowie der Besucher-Entwicklung haben. Die SPÖ brachte die rund 100 bei der Bezirkshauptmannschaft anhängigen Verfahren wegen des Verdachts der illegalen Beschäftigung von Ausländern und wegen angeblich nicht bezahlter Sozialabgaben nach dem ASVG-Gesetz aufs Tapet. Die FPÖ wollte die Rolle von "Ombudsfrau" und Grünen Ex-Landesrätin Christine Baur beleuchten. Die Neos meldeten sich gar nicht zur Wort.

(APA)

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