Volkskundler Hans Haid starb mit fast 81 Jahren

Der Volkskundler Hans Haid hat sein Leben lang das richtige Landleben erkundet und beschrieben.
Der Volkskundler Hans Haid hat sein Leben lang das richtige Landleben erkundet und beschrieben. Haymon Verlag
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Der Tiroler Hans Haid war eine Institution und ein Original. Den Tourismus bekämpfte er.

„Mander 's isch Zeit“, „Fenschterln“, das versteht noch jeder. Aber „Drweilong“ für Sehnsucht? Das kennen wohl wenige. Der Volkskundler Hans Haid hat sein Leben lang das richtige Landleben erkundet und beschrieben. Folgerichtig konnte er alles nicht leiden, was das Ursprüngliche verfälscht, den Tourismus und die „volksdümmliche“ Kommerzmusik. Haids Heimat war das Ötztal. In Längenfeld wurde er am 26. Februar 1938 geboren: als erstes von sechs Kindern eines Bergbauern. Mit zehn wusste der Bub, dass er auf die Universität gehen wollte. Aber wie sollte das bezahlt werden? Er schaffte die Externistenmatura und studierte Volkskunde. Die Eltern waren enttäuscht, sie hätten sich gewünscht, dass der älteste Sohn Priester wird. Der vielseitig Begabte kam früh mit Dichtern wie Oswald Wiener oder H. C. Artmann in Kontakt. Die Mundart war von den Blut-und-Boden-Mythen der Nationalsozialisten befleckt. Die poetische Avantgarde der Nachkriegszeit verschaffte dem Dialekt einen neuen, spielerischen, bissig-satirischen Aufschwung. Haid initiierte das Internationale Dialektinstitut und die Arge Region Kultur. Er baute das Heimat- und Freilichtmuseum in Längenfeld auf. Ab Ende der 1980er-Jahre konzentrierte er seine Arbeit wieder auf das Ötztal, das über einen reichen Schatz an Sagen verfügt.

„Die älteste Sprache Österreichs“

Haids Romane „Similaun“ oder „Die Landgeherin“ zeigen aber auch das harte Leben der Bewohner, die oft auswandern mussten. Die Berge sind keine heile Welt, Haid beschrieb Prostitution, Gewalt, Seuchen, die Gletscher seien „Leichentücher“. Er veröffentlichte Mundartgedichte, Hörspiele, Bildbände und volkskundliche Bücher. „Der Ötztaler Dialekt geht etwa 900 Jahre zurück und ist der älteste Dialekt, die älteste Sprache Österreichs“, sagte Haid. Die Unesco erklärte das markante Idiom zum immateriellen Kulturerbe ebenso wie den Schaftrieb „über die Jöcher“ (zu sehen auf YouTube). Für beides engagierte sich Haid intensiv.

Unter dem Motto „Alpine Weltmusik“ vertonten junge Musiker seine Lyrik, etwa Marlon Prantl (Gruppe TyRoll). Die Globalisierung verschaffte regionaler Musik eine Blüte. Wer viel unterwegs ist, sehnt sich nach heimatlichen Tönen (Franui). Zuletzt lebte Haid auf einem Bergbauernhof in Heiligkreuz im Venter Tal im Gemeindegebiet von Sölden. [ Haymon Verlag ] (bp)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.02.2019)

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