Rudolf Gehring: Der freundliche Fundi

Rudolf Gehring freundliche Fundi
Rudolf Gehring freundliche Fundi(c) Clemens Fabry
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Sonntagsspaziergang. Rudolf Gehring war über 30 Jahre lang Mitglied der ÖVP. Letztlich war sie dem CVer zu wenig christlichsozial – mit Betonung auf christlich.

Ikonen, Heiligenbilder, religiöse Sprüche und Bücher zieren das Innere von Rudolf Gehrings Haus. Er wohnt in Perchtoldsdorf in der Leopold-Kunschak-Gasse – ausgerechnet. Kunschak war Mitbegründer der ÖVP und der Exponent des christlichsozialen Flügels der Volkspartei. Damals war die ÖVP noch so, wie Gehring sie sich vorstellt. 30 Jahre lang war er ihr Mitglied. Doch das christlichsoziale Element, meint der Präsidentschaftskandidat der Christlichen Partei Österreichs (CPÖ), sei mit der Zeit leider immer mehr in den Hintergrund getreten.

Rudolf Gehring (62), Bauernsohn aus dem Weinviertel, ist Jurist und als Unternehmer im Immobilienbereich tätig. Viele Jahre lang war er Sekretär des niederösterreichischen ÖVP-Landeshauptmanns Siegfried Ludwig. Ein echter Christlichsozialer, ein Vorbild. Und dessen Nachfolger Erwin Pröll? „Ersparen Sie mir einen Kommentar“, sagt Gehring, setzt dann aber doch hinzu: „Ich verstehe nicht, und das versteht eigentlich niemand, dass Pröll Steuergeld in zweifelhafte Projekte wie das Museum für Hermann Nitsch steckt. Das ist Geldverschwendung.“

Vor fünf Jahren ist er dann aus der ÖVP ausgetreten. Im Cartellverband, bei der „Austria Wien“, ist Gehring – Couleurname Cato – nach wie vor. Er hoffe, dass ihn viele seiner Couleurbrüder wählen werden. „Schon ein wenig enttäuscht“ sei er hingegen von Kartellbruder Othmar Karas, der sich für Heinz Fischer ausgesprochen hatte.

Keine Missionierung. Rudolf Gehring ist zwar ein ultrakonservativer Christ, so heiß gegessen wie gekocht wird bei ihm aber auch wieder nicht. „Ich will niemanden missionieren, niemandem meine politische Meinung aufzwingen. Ich respektiere jeden, der sein Leben so gestalten will, wie er will“, sagt Gehring, während er mit seiner Hündin Lexa durch das Perchtoldsdorfer Weinbaugebiet schlendert. Die Weinstöcke hier würden ihn an seine Heimat, das Pulkautal im Weinviertel, erinnern.

Gehring ist der umgängliche Prophet seiner Gesinnungsgemeinschaft. Deren niedergeschriebene Programmatik liest sich wesentlich radikaler, als Gehring sie nach außen hin vertritt. Von einem Verbot künstlicher Befruchtung ist darin etwa die Rede. „Im Prinzip ja“, sagt Gehring, „schließlich ist der Mensch nicht befugt, am Leben herumzuhantieren“. Aber an eine Abschaffung sei selbstverständlich nicht gedacht, spielt Gehring diese Forderung herunter. Auch bei jener nach einer strafgesetzlichen Handhabe gegen die Herabwürdigung von Ehe und Familie gehe es lediglich darum, dass mit der „Basis der Gesellschaft“ nicht so leichtfertig umgegangen werde. Und das „System von Zins und Zinseszins“ wolle er zwar auch nicht abschaffen, aber „genauer anschauen“ sollte man sich das schon. Schließlich werde der Mensch im Wirtschaftskreislauf immer mehr zu einem „Getriebenen“.

Und das von der CPÖ propagierte Abtreibungsverbot? „Schrittweise“ sei ein solches sicher erstrebenswert, sagt Gehring. Es würde schon genügen, die unter Bruno Kreisky vereinbarten flankierenden Maßnahmen – mehr Beratungen, Trennung zwischen beratendem und abtreibendem Arzt etc. – einzuhalten, und schon würde sich die Zahl der Abtreibungen drastisch reduzieren.

Wie ein radikaler Fundi wirkt Gehring eigentlich nicht, obwohl er sich zum Fundamentalismus bekennt – im Sinne eines festen Fundaments, auf dem er stehe. Er scheint in sich zu ruhigen, Kritik nimmt er gelassen und lächelnd zur Kenntnis. Das Wichtigste für ihn sei die Familie, sie biete Geborgenheit, sagt der vierfache Vater und fünffache Großvater. Mit dem Familienwohnwagen hat man schon ganz Europa bereist – bis nach Island.

Seit mittlerweile 30 Jahren nimmt er an der Fußwallfahrt von Perchtoldsdorf nach Mariazell teil, dreieinhalb Tage sei man unterwegs. Das tägliche Gebet ist für ihn ebenso selbstverständlich wie der tägliche Gottesdienstbesuch. Mit dem Wirken von Papst Benedikt XVI., einem „intelligenten Mann“, sei er zufrieden. „Dass er nicht tut, was die Atheisten sagen“, könne man ihm wohl kaum verübeln. Die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche findet aber auch Gehring „höchst unerfreulich, jeder Einzelne ist einer zu viel“.

Er sehe sich schon als „Mann aus dem Volk“, sagt Rudolf Gehring, als er mit seiner Hündin wieder in die Reihenhaussiedlung in der Leopold-Kunschak-Gasse einbiegt. Man kann sich den freundlichen Hausverwalter gut als Nachbarn vorstellen. Als Bundespräsidenten aber wohl eher nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.04.2010)

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