Fechten mit dem Florett des Geistes

Die Kunst, schlagfertig die Argumente des anderen zu kontern, kann nicht nur in der Politik entscheidend sein.
Die Kunst, schlagfertig die Argumente des anderen zu kontern, kann nicht nur in der Politik entscheidend sein.(c) imago/Ikon Images (Marcus Butt)
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Die Fähigkeit, schnell und geistreich zu reagieren, ist nicht jedem per se gegeben, kann jedoch bis zu einem gewissen Grad erlernt werden.

Manche Zeitgenossen besitzen die Gabe des spontanen und originellen Konterns von Natur aus, den meisten ist sie jedoch nur begrenzt gegeben. Etlichen politischen Interviews würde man mehr davon wünschen – vom Befragten wie vom Fragesteller –, ebenso sich selbst in zahlreichen Situationen. Wer kein Naturtalent ist, findet im Internet „Schlagfertige Kontersprüche“ oder „Die Top-20-Antworten auf dumme Sprüche“ und ahnt wohl, dass wahre Schlagfertigkeit sich nicht auf einstudierte Reaktionen reduzieren lässt.

„Generell wirkt Schlagfertigkeit am besten, wenn man sie subtil einsetzt“, sagt der Unternehmensberater und Coach Bernd Geisler, der Seminare zu diesem Thema leitet. Dass Schlagfertigkeit mehr als nur Wortgewandtheit ist, zeigen aus seiner Sicht etwa der OMV-Vorstandsvorsitzende Bernd Seele, der Humangenetiker Markus Hengstschläger sowie der ORF-Moderator Armin Wolf.

Die Kommunikations- und Etikette-Trainerin Kristin Koschani-Bongers bietet ebenfalls Schlagfertigkeitsseminare an, etwa am Institut für Management in Salzburg. Sie nennt als Beispiele den deutschen FDP-Vorsitzenden, ChristianLindner, der rhetorisch versiert und eloquent sei, oder die Entertainerin Barbara Schöneberger, die Schlagfertigkeit mit Humor und Selbstironie kombiniert.

Schlagkraft oder -fertigkeit?

Was schlagfertig zu sein bedeutet, definieren beide Trainer unterschiedlich. Koschani-Bongers versteht darunter das prompte Reagieren auf einen verbalen Angriff. Schlagfertigkeit beinhalte aber auch, „Situationen richtig einschätzen zu können und an seinen diplomatischen und fantasievollen Formulierungen kontinuierlich zu arbeiten“. Die Betonung liege auf „Fertigkeit“, nicht auf „schlagen“.

Für Geisler hingegen handelt es sich sehr wohl um eine kämpferische Fähigkeit, um „ein Fechten mit Gedanken, mit dem Florett des Geistes“. Im zweitägigen Seminar Schlagfertigkeit & Eloquenz des Anbieters Management Exzellenz spricht er vor allem die Wirtschaft als Zielgruppe an. „Den Teilnehmern geht es meistens darum, bei schwierigen Gesprächen eine situationsgerechte Antwort parat zu haben und diese souverän zu artikulieren“, sagt Geisler.

An der Universität Salzburg hat man eine andere Zielgruppe im Auge. Hier können Studierende aller Fakultäten eine Studienergänzung oder einen Studienschwerpunkt Rhetorik belegen und dabei die Zertifikate „Rhetoricum“ oder „Rhetoricum maius“ erwerben.

Laut Thomas Schirren, Leiter des Bereichs Klassische Rhetorik im Fachbereich Altertumswissenschaften, spielt Schlagfertigkeit seit den Anfängen der rhetorischen Kunstlehre eine Rolle, also seit den Athener Sophisten des fünften vorchristlichen Jahrhunderts. „Sie entscheidet oft über Wohl und Wehe des rhetorischen Auftritts, kann aber theoretisch nicht so einfach vermittelt werden. Ein Mittel, sich eine umfassende Schlagfertigkeit anzueignen, liegt in einer umfassenden Bildung“, sagt Schirren. „Viele Fragen oder Themen lassen sich auf übergeordnete zurückführen, deren Applikation auf den Einzelfall wiederum eine Sache der Übung sein kann.“

Die Kurse seien sehr gefragt, da immer mehr Studierende realisierten, dass rhetorische Fertigkeiten auch den Berufseinstieg erleichtern könnten. Schlagfertigkeit sei für Studierende ein heikler Punkt, schließt Schirren auch aus der Beobachtung von Diskutierklubs. „Diejenigen, die glauben, dass sie rhetorische Lehre brauchten, haben oft Probleme, in einer gegebenen Situation angemessen, sensibel und eben schlagfertig zu reagieren. Was wir leisten können, ist, solches Verhalten zu üben, Hemmungen und Ängste abzubauen und Wege zu zeigen, wie man sich in jeder Situation zurechtfindet.“ Dadurch entwickle sich insbesondere die Persönlichkeit, da falsche Selbsteinschätzung sichtbar gemacht und Vorurteile über das eigene Auftreten korrigiert werden, etwa durch Videoaufzeichnungen.

Auch Lindner und Koschani-Bongers betonen den Persönlichkeitsaspekt, wenngleich sie sich angesichts des kürzeren Formats mehr auf das handwerkliche Rüstzeug konzentrieren. Man könne lernen, die in Stressmomenten auftretende Kreativitätsblockade zu durchbrechen, sagt Koschani-Bongers, „indem man sich Strategien, Kurzkommentare, Brückensätze und rhetorische Wendungen aneignet, die man universell einsetzen kann.“ So könnten Sätze wie „Wenn Sie emotional abgerüstet haben, können wir weiterreden“ oder ein kurzes „Wie dem auch sei“ ein Gespräch wieder auf eine Sachebene lenken.

Selbstbewusstsein und Haltung

Wesentlich sei ein gutes Selbstwertgefühl, „dadurch bietet man per se weniger Angriffsfläche“. Im Seminar bekämen die Teilnehmer einen Werkzeugkasten, um je nach Situation sofort das passende rhetorische und körpersprachliche Werkzeug einsetzen zu können.

Auch Geisler sieht die Anwendung von Schlagfertigkeitstechniken als wichtigen Baustein des Seminars. Aus seiner Sicht verlangt Schlagfertigkeit aber weit mehr als die Anwendung von Techniken. „Es kommt zudem auf die innere Haltung sowie auf das äußerliche Auftreten an: Beide Faktoren bestimmen maßgeblich die Ausstrahlung von Souveränität und Eloquenz.“

INFORMATION

Seminare und Studien

• „Schlagfertigkeit und Eloquenz“ (zweitägig), Management Exzellenz, Wien, 5./6. Februar2019. www.managementexzellenz.com

• Schlagfertigkeit: Konstruktiv, intelligent und spontan reagieren und kontern“ (eintägig), Institut für Management (IFM), Hotel Schloss Leopoldskron, Salzburg, 27. März 2019. www.ifm.ac.at

• Rhetorikplattform der Universität Salzburg.
www.rheton.sbg.ac.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2019)

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