Deutschland: Türkisch statt Englisch in Volksschule

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Landesintegrationsrat in NRW machte einen umstrittenen Vorschlag. Die Kritik daran war groß. "Schade, dass man die Diskussion nicht sachlich führen kann."

Köln. Ein Interview einer Regionalzeitung sorgte in den vergangenen Tagen deutschlandweit für Schlagzeilen: SPD-Politiker Tayfun Keltek, der Vorsitzende des Landesintegrationsrats in Nordrhein-Westfalen, sprach sich im „Kölner Stadt-Anzeiger“ dafür aus, den Englischunterricht in Volksschulen abzuschaffen – und zwar zugunsten von Türkisch, Polnisch oder Russisch.

Die Welle der Ablehnung war nach diesem Vorschlag groß. Die in NRW zuständige Schulministerin, Yvonne Gebauer (FDP), sah den Vorschlag „über das Ziel hinaus schießen“. Es gebe bereits herkunftssprachlichen Unterricht. Der habe sich bewährt. Englisch sei und bleibe aber „die zentrale Fremdsprache“. Das sieht der einst langjährige Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Josef Kraus, ähnlich. Er hält den Vorschlag, Englisch durch andere (Mutter-)Sprachen zu ersetzen, für „völlig falsch“. Das sei „absolut antiintegrativ“, sagte er gegenüber der „Bild“-Zeitung. „Wenn wir wirklich Integration in Deutschland haben wollen, dann heißt die Forderung: Die Kinder müssen Deutsch lernen und nichts anderes.“

„Muttersprache vertiefen“

Diese kategorische Ablehnung, die seiner Idee entgegenschlug, ärgert wiederum Tayfun Keltek. „Es ist schade, dass man die Diskussion nicht sachlich führen kann“, sagte er dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ in einem weiteren Interview. Obwohl ihm viele Bildungswissenschaftler zustimmen, „wird eine Debatte geführt, in der ausländerfeindliche Parolen angestimmt werden“.

Der Vorsitzende des Landesintegrationsrats sieht viele Argumente für einen vermehrten Muttersprachenunterricht in der Grundschule. „Es wäre besser, bei ihnen die Kenntnisse in der Muttersprache und in Deutsch zu vertiefen“, sagte Keltek mit Blick auf die immer heterogenere Schülerschaft. Mit guten Grundlagen in der Muttersprache (sowie in Deutsch) würde den Kindern später auch das Englisch lernen leichter fallen.

Das Streichen des Englischunterrichts in der Volksschule sei ohnehin kein allzu großer Verlust. „Grundschul-Englisch könnte den Kindern auch „innerhalb von drei Wochen an einer weiterführenden Schule beigebracht werden“. In Überlegung dürfte eine solche Streichung des Englischunterrichts tatsächlich sein. Die Landesregierung in NRW scheint eine Aufhebung des Fachs in den ersten beiden Schuljahren zu planen. (j. n.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.02.2019)

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