Quo vadis Europa?

Replik auf Bernard-Henri Lévy. Über die wichtigsten europäischen Narrative angesichts der nahenden EU-Wahlen.

Gastkommentare und Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen.

Aus Österreich atme europäischer Geist. Mit diesen Worten in einem aktuellen Interview mit der „Presse“ (29. Jänner) unternahm der keineswegs der politischen Rechten nahestehende Philosoph Bernard-Henri Lévy einen Vorstoß für ein „politisches Europa“. Hätte im 19. und 20. Jahrhundert der Nationalstaat die „Agorá“ der klassischen Demokratie abgebildet, sei es heute die Europäische Union in ihrer Inter- und Supranationalität. Sie banne die „Gefahr von Tyrannei und Totalitarismus“. Und Lévy weiter: Das multinationale „Österreich des Habsburgerreichs, das wahrlich nicht schlecht funktioniert hat, war ein Wunder an Geisteskraft, mit liberalem Regime, eine Wiege der Zivilisation“. Von Wien aus könne und solle Lévys Botschaft auf Gehör stoßen, denn „Österreich war für Europa, was Athen für den griechischen Raum gewesen ist“.

So schön Lévys Emphase auch klingen mag: Seinen klaren Worten stehen 2019 Umstände entgegen, in denen die zentrifugale Heterogenität des Kontinents (siehe Brexit) in der für die EU typischen Mischung aus Föderation (EU-Kommission) und Konföderation (EU-Rat) drastisch zutage tritt. Quo vadis Europa: in Richtung Bundesstaat oder Staatenbund? Gerade dann, wenn sich neuesten Umfragen zufolge die Mehrheit der Österreicher für „Vereinigte Staaten von Europa“ (analog den USA) ausspricht, ist Lévys Referenz auf das Österreich von damals ambitioniert und erfolgt pünktlich zum Vergleich von 2019 mit 1919, als die Frieden von Paris den Ersten Weltkrieg beendeten, die, nach George Kennan, „Urkatastrophe“ des 20. Jahrhunderts!

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.