Britische Premierministerin verspricht dem Parlament eine Abstimmung über das EU-Austrittsabkommen bis Ende Februar. Indessen gibt es Gerüchte über ihren Rücktritt im Sommer.
London. „I need a little time – to think it over“, beginnt ein Hit der britischen Popgruppe The Beautiful South aus dem Jahr 1990. Und wie ein Ohrwurm scheinbar unendlich im Kopf umgehen kann, so wiederholt auch die britische Premierministerin, Theresa May, ihre Botschaft, dass eine Einigung mit der EU über ein Brexit-Abkommen immer noch möglich sei: „Die Arbeit geht weiter“, erklärte sie gestern, Dienstag, vor dem Parlament in London.
May räumte ein, dass sie bei ihren Gesprächen in Brüssel in der Vorwoche noch keine Fortschritte erzielen konnte. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker habe „wie erwartet“ die Position der Union bekräftigt, wonach man „zu keinen Neuverhandlungen des vorliegenden Brexit-Deals bereit ist“, wie die Premierministerin berichtete. Auch ein „sehr herzliches“ Abendessen mit dem irischen Regierungschef, Leo Varadkar, habe keine Annäherung gebracht.
Scheinbar ungerührt von dem geschlossenen Widerstand der EU bekräftigte May einmal mehr die britischen Forderungen nach einer Neufassung der Auffangregelung für Nordirland. „Gestärkt durch das Mandat des Parlaments verlangen wir rechtlich bindende Änderungen des Backstop im Austrittsvertrag“, bekräftigte sie. May weiß selbst, dass sie diese nicht bekommen wird. Statt den Widerstand der EU-27 zu zerbröseln, ist ihre Taktik nun aber auf Brechen des Widerstands der nationalen Opposition ausgerichtet.
Nachdem sie Labour-Chef Jeremy Corbyn in den vergangenen zwei Jahren mit einer Mischung aus offener Verachtung und beleidigender Herablassung entgegengetreten ist, kann May sich auf einmal nicht genug an schönen Worten tun: „Der ehrenwerte Führer der Opposition teilt die Bedenken des Parlaments zum Backstop. Ich begrüße die Bereitschaft des Gentleman, mit mir zu sprechen und freue mich auf die Fortsetzung unserer Diskussionen.“
Corbyn hat fünf Bedingungen für eine Unterstützung eines May-Deals genannt. Bei Arbeits-, Sicherheits- und Umweltschutzbestimmungen versprach ihm die Premierministerin gestern volle Unterstützung. Der entscheidenden Forderung von Labour – Verbleib in der EU-Zollunion und möglichst enge Anpassung an den Binnenmarkt – erteilte May hingegen erneut eine Absage: „Ich möchte nicht nur sanft daran erinnern, dass das Parlament bereits einmal gegen die weitere Mitgliedschaft in der Zollunion gestimmt hat.“ Mays Nein fiel allerdings auffällig weich aus: Ein Verbleib in der Zollunion wäre „ein weniger wünschenswertes Ergebnis“.
Vorhersehbar ablehnend fiel bei aller Höflichkeit die Antwort Corbyns aus: „Mehr Ausreden und noch mehr Verzögerungen“, warf er der Regierung vor, nachdem die Premierministerin einräumen musste, dass es weiterhin kein neues Abkommen gebe, das dem Parlament diese Woche zur Abstimmung vorgelegt werden könne. „Wir brauchen noch ein wenig Zeit“, sagte May. Sobald es eine Einigung mit der EU gebe, werde man dem Parlament eine inhaltliche Debatte und Abstimmung gewähren. Sollte es aber bis zum 26. Februar keine Vereinbarung zwischen Brüssel und London geben, werde das Unterhaus am nächsten Tag über einen neuen Regierungsantrag zu entscheiden haben – die Wahl wird dann eine sein zwischen No Deal oder Mays Deal.
„Kein Plan zum Rücktritt“
Nicht eben förderlich für May sind immer neue Rücktrittsgerüchte, die zuletzt die Zeitung „The Sun“ streute. Demnach bereite die Premierministerin im Sommer ihren Ausstieg aus der Politik vor. Die Zeitung beruft sich auf Hinweise von zwei führenden Kabinettsmitgliedern. Am Dienstag dementierte ihr Sprecher dann allerdings entschieden: May habe keinerlei Plan, ihr Amt im Sommer zurückzulegen.
NEUER ZEITPLAN
Am Donnerstag stimmt das britische Unterhaus erneut über Anträge zur Änderung der Brexit-Politik ab.
Bis 26. Februar will Theresa May dem Unterhaus einen geänderten Austrittsvertrag zur Abstimmung vorlegen.
Am 29. März läuft die EU-Mitgliedschaft automatisch aus, wenn es keine Einigung zwischen Brüssel und London gibt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.02.2019)