Serie "Weird City": Youtubes verspielter Blick in die Zukunft

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Mit aufwendig produzierten, starbesetzten Serien in einem eigenen Premiumbereich will nun auch Youtube Netflix Konkurrenz machen. Neu: Eine spaßige Dystopie vom Macher von "Get out".

Es gibt die, die was haben – und die, die nichts haben. Die einen essen Trüffelgerichte in der Skybar, die anderen Omelettes in einem heruntergekommenen Diner. Die einen haben Trivialitäten wie die Partnerfindung längst an Algorithmen ausgegliedert, die anderen müssen ihre Lieblinge tatsächlich noch selber finden. Oder, um es in den Worten der Einwohner von „Weird City“ zu sagen: Die einen Leben oberhalb, die anderen unterhalb der Linie. Diese Linie ist in der neuen Miniserie, die heute im (seit Juni auch in Österreich verfügbaren) Premiumbereich von Youtube herauskommt, auch eine physische: ein buchstäblicher Grenzübergang mitten in der Stadt, der ein bisschen aussieht wie ein U-Bahnausgang am Wiener Karlsplatz und durch den die Bewohner gegen Bezahlung (via Chip am Handgelenk) sowie nach Security-Kontrolle treten können. Vom Leben oben wie unten, von absurden gesellschaftlichen Gepflogenheiten und grotesken Zukunftstechnologien handeln sechs kurze Folgen, die jeweils eine eigene Geschichte erzählen – und doch eindeutig zusammengehören.

Eine Anthologieserie über die irren sozialen Folgen, die der technische Fortschritt bringen könnte? Was auf den ersten Blick klingt wie die beliebte Netflix-Serie „Black Mirror“, ist in Wahrheit ein formal noch viel verspielteres, spaßigeres, jedenfalls viel weniger düsteres Science-Fiction-Comedy-Flickwerk. In der ersten Folge wendet sich ein von den dreckigen Gassen der unteren Welt in die hypersaubere Glasturm-Oberwelt aufgestiegener Junggeselle namens Stu (Dylan O'Brien) an eine Firma, die verspricht, den perfekten Partner für ihn zu finden: „The one that’s the one.“ Eine Kopfverkabelung, ein kurzer Fragebogen, ein Rechenprozess – und zu Mitternacht werde die Liebe seines Lebens bei ihm anklopfen, lautet die Prämisse. Statt der erwarteten jungen Schönheit steht dann aber ein gedrungener Kerl mit spärlichem Haupthaar an der Tür, gespielt von „Al Bundy“ Ed O’Neill: im Ernst, lieber Algorithmus?

"Sie haben zwei Stunden, um sich zu trennen"

Nun erweist sich Burt – so heißt der Herr, der Stus Vater sein könnte – aber tatsächlich als Seelenverwandter, und die beiden Männer, die eine homosexuelle Beziehung zuvor nie in Betracht gezogen hatten, verlieben sich. Man sieht Szenen, die aus einer Romantic Comedy – beziehungsweise aus einer Parodie einer solchen – stammen könnten: Burt und Stu, wie sie sich beim Eisessen necken. Burt und Stu, wie sie gemeinsam digitale Hunde streicheln. Eine Welt in Hochglanz-Pastelltönen und die Kostüme (brave Schnitte mit schrägem Twist) machen die futuristische Puppenhausidylle perfekt: Bis der Manager von „The one that’s the one“ im Wohnzimmer steht. Sein Programm habe sich verrechnet, die beiden Turteltäubchen gehören jeweils anderen Partnern: „Sie haben zwei Stunden, um sich zu trennen.“

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Abgründige Ideen in liebliche Settings zu verpacken, ist eine Spezialität von Jordan Peele. In seiner Sketch-Comedy-Sendung „Key & Peele“ für den Sender Comedy Central ließ er (scheinbar) alltägliche Situationen aus dem Ruder laufen: Da will ein Flugzeugpassagier etwa aufs Klo, obwohl das „Fasten Seatbelt“-Licht an ist – mit dramatischen Folgen. Oder zwei schwarze Republikaner, die sich als Demokraten ausgeben, chauffieren eine Gruppe wirklich demokratischer Mitbürger zum Wahllokal – und tun alles dafür, nicht rechtzeitig anzukommen. Aufsehen erregte Peele auch mit seinem oscarnominierten Horrorfilm „Get Out“, in dem er den unterschwelligen Rassismus weißer liberaler Eliten entblößt. Für „Weird City“ tat er sich wieder mit „Key & Peele“-Autor Charlie Sanders zusammen. Und scheut auch keine formalen Experimente. Stichwort: Meta-Meta-(…)-Serie. In der sechsten Folge erzählt „Weird City“ von zwei Serienfiguren, die draufkommen, dass sie Serienfiguren sind – noch dazu in einem billigen Krimi – und versuchen, mit freiem Willen gegen den Determinismus des Drehbuchs anzukämpfen. Keine Chance!

Gewalttätige Teenager unterwegs

Andere Folgen erzählen von Fitnesswahn oder virtueller Zärtlichkeit. Zu sehen sind unter anderem Mark Hamill („Star Wars“) und Michael Cera („Juno“) – prominente Namen, mit denen Youtube nun versucht, am Streamingmarkt mitzunaschen. Es darf nicht allzu sehr verwundern, dass so manches Youtube-Original mehr als entfernt an ein Netflix-Vorbild erinnert: Mitte Jänner kam etwa „Wayne“ heraus, eine Serie von den Deadpool-Machern, in der ein verwahrloster Teenager gemeinsam mit einem Mädchen aus schlimmstem Hause zu einem Roadtrip aufbricht, um das Auto zurückzustehlen, in dem seine Mutter und ihr Liebhaber die Familie einst verlassen haben. Wer „The End of the F***ing World“ mochte, wird „Wayne“ aber nicht automatisch lieben: Das Elend ist hier noch viel existenzieller, die Sitten sind rau, die Gewalt schmerzhaft. Da hofft man fast, dass das Mädchen mit seiner naiven Idee eines Tages Erfolg hat: Es verkauft gestohlene Kekse, um mit dem Geld einmal eine Bürgermeister-Kampagne für sich zu finanzieren: „Dann bin ich für diese Scheißstadt verantwortlich und kein Arschloch kann mir mehr sagen, was ich zu tun habe.“

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