Strafhöhe: „Das Recht folgt der Politik“

MINISTERRAT: PRESSEFOYER
MINISTERRAT: PRESSEFOYERAPA/ROLAND SCHLAGER
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Kanzler Kurz und Vize Strache rechneten mit Experten ab, die die Strafrechtsnovelle kritisiert hatten. Die Politik mache jene Gesetze, die die Bevölkerung erwarte, sagte Minister Kickl.

Wien. „Ich habe wenig Verständnis für die Kritik von manchen Experten an den Vorhaben, die wir hier planen, die aus meiner Sicht sehr sinnvoll und richtig sind“, sprach Bundeskanzler Sebastian Kurz. Vizekanzler Heinz-Christian Strache schlug in dieselbe Kerbe: „Ich habe in den letzten Tagen immer wieder Kritik gehört von sogenannten Experten, die gemeint haben, man kann mit einer Strafverschärfung und mit längeren Strafen keine Tat verhindern“, erklärte er. Ganz nach dem Motto, egal, was man mache, die Taten würden stattfinden. „Ich frage nur, was das für ein Zugang ist“, so Strache.

Der Ministerrat einigte sich am Mittwoch auf die geplante Strafrechtsreform, die den Fokus auf mehr Härte bei Gewalt- und Sexualdelikten legt. Die Mindeststrafe für Vergewaltigungen soll von einem Jahr auf zwei angehoben werden. Die Strafe darf in keinem Fall mehr zur Gänze bedingt nachgesehen werden dürfen. Für Wiederholungstäter steigt nach der dritten Tat das Strafmaß. Die Novelle soll nach dem Beschluss des Parlaments ab 2020 gelten.

Kritik aus den Justizberufen

Unter anderem hatten sich die Rechtsanwaltschaft, die Richtervereinigung und der Oberste Gerichtshof gegen den Regierungsplan ausgesprochen. Ein Argument der Kritiker lautet, dass erst 2016 Verschärfungen bei Gewalt- und Sexualdelikten in Kraft getreten sind und die Auswirkungen dieser Reform noch länger evaluiert werden sollten.

Der Präsident des Rechtsanwaltskammertags, Rupert Wolff, hatte den Regierungsplan als „eher populistisch“ und als „mehr ein Zeichen hin zum Wähler als einen positiven Beitrag“ bezeichnet. Die Präsidentin der Richtervereinigung, Sabine Matejka, hatte die Befürchtung geäußert, dass höhere Mindeststrafen den umgekehrten Effekt haben könnten. Bei Gewalt in der Familie entstehe eine höhere Drucksituation für die Opfer. Besser wäre es nach Ansicht von Matejka, den Richtern breiten Spielraum zu lassen.

Es sei richtig, Experten einzubinden, erklärte Innenminister Herbert Kickl (FPÖ). „Aber irgendwann muss auch einmal die Politik entscheiden, was sinnvoll ist. Das ist auch die Erwartung der Bevölkerung“, meinte er. „Und natürlich folgt dann in dem, was wir hier tun, auch das Recht der Politik“, meinte Kickl zur Strafrechtsnovelle. Er nahm damit Bezug auf seinen umstrittenen Sager zum Asylrecht im Jänner. Damals hatte Kickl erklärt, dass das Recht der Politik folge und nicht die Politik dem Recht.

Nicht im Pressefoyer nach dem Ministerrat dabei war Justizminister Josef Moser. Das habe aber nur mit dem begrenzten Platz im Raum zu tun, sagte Kurz. Moser selbst erklärte vor dem Ministerrat, dass sein Ressort genügend eingebunden worden sei. Dass die für die Reform zuständige Taskforce Strafrecht unter der Leitung von der ÖVP-Staatssekretärin im Innenministerium, Karoline Edtstadler, erarbeitet wurde, empfand der fachlich eigentlich zuständige Moser nicht als Problem: „Im Gegenteil, wir sind ein Team.“

Teamkollegin Edtstadler war beim Pressefoyer dabei und bewarb ihr Paket als Kombination aus Strafverschärfungen und Opferschutz. Künftig wird es strafverschärfend für den Täter sein, wenn das Opfer nachhaltig psychisch beeinträchtigt wurde. Das Wegweisungsrecht soll verschärft, Behörden besser vernetzt werden.

Gerade beim Gewaltschutz mache die Regierung aber zu wenig, meinte die Opposition. Es gebe „vor allem Symbolik, aber kaum konkrete Hilfe für Opfer“, erklärte SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim. Liste-Jetzt-Chefin Maria Stern sah nur „leere Worte“. „Strengere Strafen allein bringen nichts“, meinte Irmgard Griss von den Neos.

Eigene Delikte für Asylwerber?

Innenminister Kickl denkt indes über neue Tatbestände nach, die über die nunmehrige Reform hinausgehen. So forderte er die Einführung eigener Tatbestände im Asylbereich. Etwa für Fälle, in denen Asylwerber ein falsches Alter angeben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.02.2019)

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