In Warschau soll ein „offener Dialog“ über Frieden in Nahost geführt werden. Aber Hauptbeteiligte fehlen.
Warschau. Das Warschauer Nationalstadion ist weitflächig abgesperrt. Der Grund ist die als „historisch wichtig“ betitelte Nahostkonferenz. Polen richtet diese zusammen mit den USA aus. Kritiker meinen, dass die USA keinen anderen EU-Staat als Gastgeber der Konferenz gewinnen konnte als Polen. Bei der Kaczyński-Partei PiS schwillt dennoch mächtig die Brust: „Die Warschauer Nahostkonferenz zeigt, wie wichtig Polen geworden ist“, schreibt ein rechter Regierungsberater.
Auch die beiden Gastgeber, die Außenminister Jacek Czaputowicz (Polen) und Mike Pompeo (USA), betonten die angeblich große Tragweite des Treffens, das über 60 Staaten zusammenbringe. Regierungschefs sind jedoch außer Israels Benjamin Netanjahu keine gekommen. Großbritannien, Italien und Österreich delegierten immerhin ihre Außenminister nach Warschau. Doch die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini bleibt zu Hause, auch die meisten EU-Mitgliedsstaaten schickten nur Staatssekretäre. Karin Kneissl nützt ihre Reise nach Warschau heute zu einem Treffen mit dem US-Außenminister. Wichtige Akteure im Machtpoker um die Region wie Russland, Türkei und Syrien haben abgesagt – und der Iran wurde gar nicht erst eingeladen.
Vermutet wird deshalb, dass bei der Konferenz der Schulterschluss einer Koalition gegen den Iran vollzogen werden soll. Dies will die EU nicht unterstützen. Denn Brüssel steht nach wie vor hinter dem 2015 in Wien mit Teheran unterzeichneten Atomabkommen, das Donald Trump im Mai 2018 einseitig gekündigt hat. Czaputowicz und Pompeo haben vor den Medien versucht, den Eindruck zu zerstreuen, der Iran stehe im Fokus der Konferenz. Man wolle einen „offenen Dialog“ über Frieden in der Region, vor allem in Syrien und im Jemen, sowie über Israel und Palästina führen. Und ja, über den Iran und dessen Rolle in der Region werde auch gesprochen.
Die polnisch-amerikanische Freundschaft wurde am Mittwochmittag vor Konferenzbeginn von Staatspräsident Andrzej Duda und US-Vizepräsident Mike Pence mit einem Waffengeschäft geadelt. Polen wird bis 2023 für 414 Millionen Dollar fast zwei Dutzend neue Langstrecken-Artillerie-Systeme des Typs „Himars“ kaufen. Damit könne die Nato-Ostgrenze mit modernsten Waffen verteidigt werden, freut sich Duda. Die US-Botschafterin in Polen versprach eine erhebliche Aufstockung der rotationsweise stationierten US-Truppen bei Krakau, aber auch unweit der russischen Grenze zur Oblast Kaliningrad (Königsberg).
Die Nahostkonferenz ist auch in Polen selbst umstritten. „Ich habe Angst, dass Polen ausgespielt wird“, kommentierte der liberale Oppositionspolitiker Krzysztof Brejza im Privatradio. Es sei unheimlich, dass es die PiS innerhalb der Jahresfrist geschafft habe, sich sowohl mit Israel wegen des „Holocaust-Gesetzes“ als nun auch noch mit dem Iran zu zerstreiten. Teheran hatte im Vorfeld auf Drohungen gegen Warschau verzichtet, aber unterstrichen, es sei eine schmerzhafte Erfahrung, dass sich Polen nun gegen den Iran stelle – nach all den polnischen Flüchtlingen, die Persien im Zweiten Weltkrieg aufgenommen habe. Rund 115.000 polnische Soldaten und Zivilisten hatten dort ab 1941 Zuflucht gefunden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.02.2019)