Wen bedroht das Internet? Die Demokratie oder die Autokraten?

Das World Wide Web und seine Informationsflut ist für die Autokraten gefährlich, weil es ihr Meinungsdiktat bedroht.
Das World Wide Web und seine Informationsflut ist für die Autokraten gefährlich, weil es ihr Meinungsdiktat bedroht.(c) imago/Jochen Tack (Jochen Tack)
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25 Jahre nach seinem Durchbruch wird das weltweite Netz zunehmend als Bedrohung gesehen. In Russland und China – aber auch im Westen.

Russland will aus dem Internet aussteigen. Was auf den ersten Blick unglaublich klingt, wurde diese Woche durch einen Beschluss des russischen Parlaments abgesegnet. So soll künftig eine technische Abkopplung ermöglicht werden, die Russland vor Cyberattacken aus dem Ausland – vor allem den USA – schützt. Ein Schritt, der eine Pikanterie in sich birgt. Schließlich ist es vor allem Russland, das in den vergangenen Jahren für ebensolche Cyberattacken auf die Infrastruktur anderer Länder verantwortlich gemacht wird. Aber natürlich wissen auch die Geheimdienste im Westen, wie man Computer als Waffe einsetzt. Das zeigte nicht zuletzt der Virus Stuxnet, mit dem das iranische Atomprogramm schon 2010 erfolgreich sabotiert wurde. Und Ende 2017 erklärten mehrere Nato-Mitglieder, auf Cyberbedrohungen künftig offensiver reagieren zu wollen.

Dennoch dürfte hinter dem jetzigen Vorstoß des Kreml auch noch etwas anderes stecken. Und zwar die Kontrolle der im Netz versandten Informationen. Sie soll durch die Änderungen nämlich ebenfalls erleichtert werden. Russland folgt damit dem Beispiel anderer Staaten, die von Autokraten oder Diktatoren gelenkt werden. Zensur einzelner Inhalte ist etwa in vielen Ländern der arabischen Welt üblich. Und China schottet seine Bürger breitflächig durch die sogenannte Great Firewall von der Außenwelt ab. Ein Beispiel, dem Russland nun folgen könnte, meinen Kritiker inner- und außerhalb des Landes.

Das World Wide Web und seine Informationsflut ist für die Autokraten gefährlich, weil es ihr Meinungsdiktat bedroht. Gleichzeitig wird das Netz in jüngster Zeit aber auch in den offenen Demokratien der westlichen Welt immer öfter als Bedrohung angesehen. Und zwar, weil Fake News und Gerüchte die politische Polarisierung verschärfen. Das ist auch in Österreich zu bemerken. Bei kontroversiellen Themen wie etwa der Flüchtlingskrise hat die öffentliche Diskussion – etwa in sozialen Medien – in den vergangenen Jahren zwar deutlich an Intensität zugenommen, gleichzeitig die Qualität ebendieser Diskussion aber massiv abgenommen. Darüber hinaus gilt das Netz als Bedrohung für die Demokratie, weil durch gezielte Fehlinformationen mittels sogenannter Trollfabriken die öffentliche Meinung und schlussendlich sogar Wahlen beeinflusst werden könnten. Für Letzteres gelten die Brexit-Abstimmung und vor allem die US-Präsidentschaftswahl im Jahr 2016 als beste Beispiele. Bei Letzterer soll ja wiederum Russland seine Finger im Spiel gehabt haben.


Wie stark Fake News die US-Wahl oder die Brexit-Abstimmung wirklich beeinflusst haben, kann niemand seriös beantworten. Welch drastische Wirkung über das Internet verbreitete Gerüchte entfalten können, zeigt aber das Beispiel der WhatsApp-Lynchmorde in Indien. Dort sorgten über den Kurznachrichtendienst verbreitete Meldungen, wonach vor Ort befindliche Fremde Kindesentführer seien, im Vorjahr in rund 50 Fällen für die spontane Bildung von Lynchmobs mit schlussendlich 46 Toten. Ähnliche Fälle gab es inzwischen auch in anderen Ländern wie beispielsweise Mexiko.

Solche Vorkommnisse werfen auch ein Schlaglicht auf die Verantwortung der Techkonzerne für die Inhalte, die über ihre Dienste verbreitet werden. Und damit sind jene bislang nicht erfolgreich umgegangen. Das zeigt etwa Facebooks lascher Umgang mit Daten im Rahmen des Cambridge-Analytica-Skandals. Aber auch für die Inhaltskontrolle des Konzerns setzt es vornehmlich Kritik. Sie ist schlicht oft nicht nachvollziehbar. Der zu Facebook gehörende Messengerdienst WhatsApp reagierte in Indien übrigens bereits auf die Lynchproblematik: Mit ganzseitigen Anzeigen in Zeitungen, in denen Tipps zum Erkennen von falschen Gerüchten gegeben wurden.

Das Internet hat die öffentliche politische Diskussion in den vergangenen Jahren nachhaltig verändert, und das wird so bleiben. Für demokratische Prozesse bringt das viele Herausforderungen mit sich. Das Netz an sich daher als Gefahr für die Demokratie zu sehen ist aber falsch. Das zeigt allein die Angst, die Autokraten weltweit vor ihm haben.

E-Mails an:jakob.zirm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.02.2019)

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