Vor 40 Jahren zerplatzten die Träume der Achtundsechziger

1979 endete das „rote Jahrzehnt“. Mit einem Papst, einem Präsidenten und einer Premierministerin kehrte die Vernunft zurück. Aber leider nur vorübergehend.

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Caro amico, ti scrivo. Einer schreibt einen Brief, um sich zu zerstreuen. Die Zeiten sind nicht gut. Am Abend gehe man nicht mehr aus, rede oft wochenlang nicht miteinander. Da und dort hätte man sogar Sandsäcke an die Fenster gestellt. Aber jetzt habe das Fernsehen die Wende angesagt, auf die alle schon lang warteten. Dreimal Weihnachten werde es im nächsten Jahr geben und alle Tage Feiertag. Jeder Christus würde vom Kreuz steigen. Auch die Stummen würden wieder reden, nicht mehr nur die Tauben. „Du siehst, lieber Freund, was muss man nicht alles erfinden, um lachen zu können, um weiter zu hoffen.“

Lucio Dallas Lied „L'anno che verrà“ schilderte das Lebensgefühl der „bleiernen Zeit“, die Enttäuschungen und Illusionen der Achtundsechziger. Ihr langes rotes Jahrzehnt hatte in den späten 1960er-Jahren begonnen und reichte bis in die frühen 1980er-Jahre. 1979 – das Jahr, auf das sich Dallas Lied bezog – war der Wendepunkt. Die linke Studentenbewegung war politisch wie moralisch gescheitert. Die mit dem Aufstand gespielt hatten, fanden sich vereinsamt und deprimiert auf den Trümmern ihrer Utopie wieder. Ein Paradies auf Erden hätte es werden sollen, es wurde eine Hölle. Die politische Revolution war im Privatkrieg krimineller Banden von der Art der RAF und der Roten Brigaden verblutet, mit der sexuellen Revolution verbreitete sich Aids. Wer durch die neuen Pforten der Wahrnehmung ging, stürzte ins Elend der Heroinsucht. Unzählige Selbstmorde gingen auf das Konto der Illusionen, die das Jahr 1968 geweckt hatte.

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