Neun von zehn neuen Jobs gehen an Ausländer

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Nun scheint auch der Osten als Arbeitskräftereservoir nicht mehr zu funktionieren. Die Länder haben selbst geringe Arbeitslosenraten. Man müsse bis zu 30.000 inländische Beschäftigungslose rekrutieren, sagt RBI-Chefvolkswirt Brezinschek.

Osteuropa wird als wesentliches Arbeitskräftereservoir für Österreich immer mehr auslassen. Denn auch im Osten herrscht Arbeitskräftemangel: Tschechien, Polen, Ungarn und Rumänien haben mit Quoten zwischen 2,1 bis 3,8 Prozent weitaus geringere Arbeitslosenraten als Österreich (Ende 2018: 4,7 Prozent). Experten halten es in Österreich jetzt für ein Gebot der Stunde, viel mehr Menschen aus der Arbeitslosigkeit zurück in die Beschäftigung zu bekommen.

Für die Endphase eines Konjunkturhochs sind die Arbeitslosenzahlen in Österreich immer noch hoch, befand am Donnerstag der Chefvolkswirt der Raiffeisen Bank International (RBI), Peter Brezinschek. Bei einem Reservoir von rund 430.000 Menschen ohne Job gehe es um Größenordnungen von 20.000 bis 30.000 Personen pro Jahr, die man in den nächsten Jahren mobilisieren müsse.

Lohnsteuer für Niedriglöhne senken

Kritisch sieht Brezinschek, dass die Differenz zwischen Transferzahlungen und den Bezügen im Niedriglohnsektor zu gering ist, um Anreize zu schaffen. Dem sollte sich in seinen Augen die nächste Steuerreform annehmen. Schon bei der letzten Steuerreform sei ihm unverständlich gewesen, warum man den Eingangssteuersatz nicht in Richtung zehn oder 15 Prozent abgesenkt habe. Jedenfalls müsse eine stärkere Incentivierung des unteren Einkommenssegments im Zentrum der Überlegungen stehen, etwa durch eine Ausdehnung der Negativsteuer.

Dass der Anstieg der unselbstständig Beschäftigten im Land zuletzt fast ausschließlich ausländischen Arbeitskräften zu danken war, zeige ein gewisses Strukturproblem auf, sagte der Ökonom. Der Zuwachs der Beschäftigten um 350.000 in den vergangenen zehn Jahren gehe zu 90 Prozent auf ausländische Beschäftigte zurück, und zu zehn Prozent auf Inländer. In Wien und Kärnten ist die Anzahl der unselbstständig beschäftigten Inländer sogar gesunken.

Sondereffekte durch Marktöffnung

"Ja, wir hatten die Öffnung der Arbeitsmärkte für osteuropäische Arbeitskräfte, und wir hatten die Migrationsentwicklung seit Mitte des Jahrzehnts", sagte Brezinschek vor Journalisten. "Die Sondereffekte kann man wahrscheinlich nicht wiederholen." Die Arbeitslosenquoten in der Region Zentral/Osteuropa seien zum Teil deutlich niedriger als in Österreich, weiteres Arbeitskräftepotenzial von dort werde für Österreich deshalb in Zukunft schwer akquirierbar sein. Dort würden ebenfalls schon händeringend qualifizierte Fachkräfte gesucht.

Deshalb bestehe hier dringender Handlungsbedarf für die österreichische Beschäftigungs-, Standort- und Bildungspolitik. Die gesamte Arbeitswelt sei im Wandel. Viele würden nicht ihr ganzes Arbeitsleben lang in einem Sektor arbeiten können. Der Lohnfaktor werde in vielen Branchen in Europa nicht mehr die Bedeutung haben wie früher. Knapper Faktor sei nicht das Kapital, nicht der technische Fortschritt allein, sondern die Arbeitskraft selbst. Vor allem in Technologiesparten müsse der Standort Europa aufholen.

(APA)

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