Chancen und Gefahren des neuen EU-Urheberrechts

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Die neue Copyright-Richtlinie könnte Verleger und Kreative gegenüber Silicon Valley ermächtigen.

Brüssel. Ein „Angriff auf das freie Internet“, wie die Grünen warnen? Oder das „Ende von Wildwest im Internet“, wie Axel Voss, der Chefverhandler des Europaparlaments von der CDU, erleichtert erklärte? Die Deutungen des Kompromisses über die Urheberrechtsrichtlinie, auf welchen sich Rat und Europaparlament am Mittwochabend geeinigt haben, streben Extrempositionen zu. Nüchtern betrachtet enthält der Text, welcher im März im Plenum zur Abstimmung kommen wird, einige Neuerungen, welche die Schwierigkeiten der Zeitungsverlage in der Ära von Google News ebenso mindern könnten, wie sie dafür sorgen könnten, dass Schöpfer visueller und akustischer Werke endlich Geld dafür erhalten, wenn ihre Leistungen auf YouTube für Entzücken sorgen.

Auf Augenhöhe mit Google

Zwei neuralgische Punkte gibt es in diesem seit bereits mehr als zwei Jahre währenden Zerren um die Modernisierung des Urheberrechts. Erstens soll den Verlagen ein Leistungsschutz eingeräumt werden. Sie werden kraft Artikel 11 erstmals gegenüber den Internetplattformen einen klagbaren Rechtsanspruch auf Abgeltung erhalten (eine „Linksteuer“, wie die Gegner sagen). Ein Quantensprung, sagt Joy de Looz-Corswarem vom Europäischen Zeitungsverlegerverband zur „Presse“: „Wenn die Verleger mit den Plattformen über Lizenzen verhandeln wollen und diese einfach nicht antworten, was bisher in 99 Prozent der Fälle geschieht, bekommen sie künftig ein durchsetzbares Recht.“

Das werde zu einer Angleichung des Kräfteverhältnisses zwischen Zeitungsverlegern und Silicon-Valley-Konzernen führen, hofft Andrus Ansip, zuständiger Vizepräsident der Kommission. Die Sorge mancher Kritiker, wonach beispielsweise Google News dann ganze europäische Märkte boykottieren werde, teilt er nicht: „Ein oder zwei Länder zu ignorieren ist möglich. Aber alle Qualitätsmedien von Europa: unmöglich.“

Frei möglich bleibt übrigens weiterhin das Setzen von Hyperlinks; eine Zeitung kann also online weiterhin auf Berichte in einer anderen verweisen, ohne mühsame Rechtsfragen zu klären. Die private, nicht kommerzielle Nutzung von Nachrichtenartikeln bleibt ebenfalls frei: Kein Grund zur Sorge also für Blogger.

Zwei heikle Fragen jedoch sind im Kompromisstext unklar geregelt. Erstens müssen Internetplattformen nur dann an die Verleger zahlen, wenn sie mehr als „einzelne Wörter“ oder „sehr kurze Auszüge einer Presseveröffentlichung“ online stellen. Was sind „sehr kurze Auszüge“? Wie viele Wörter sind „einzelne“? Und sind kleine Fotos auch davon umfasst? Da wird es auf die Umsetzung in nationales Recht ankommen.

Keine Sorge um Memes

Zweitens ist offen, wie die Autoren der Texte einen Anteil an jenen Einnahmen erhalten sollen, welche ihre Verleger von den Plattformen lukrieren. „Angemessen“ solle er sein, heißt es in Ziffer 4a. Auch hier wird sich erst bei der Umsetzung in den Mitgliedstaaten erweisen, inwiefern das Ziel, „eine freie und pluralistische Presse“ zu sichern, tatsächlich erreicht wird.

Die zweite große Streitfrage war, wie die Plattformen die Einhaltung der Urheberrechte garantieren sollen. Das Problem ist in Artikel 13 geregelt, der besagt, dass sie in Abwesenheit eines Lizenzabkommens mit dem Schöpfer (oder einer Verwertungsgesellschaft) „in Übereinkunft mit hohen Industriestandards professioneller Sorgfalt“ dafür sorgen müssen, dass Inhalte, die Urheberrechte verletzen, schnellstmöglich gelöscht werden. In der Praxis wird das (wie schon jetzt) automatisch von Programmen erledigt werden, die von den Gegnern der Richtlinie „Uploadfilter“ genannt werden und, je nach Qualität, höhere oder geringere Fehleranfälligkeit haben. Dieses Problems ist man sich in Brüssel bewusst: „Darum muss es eine menschliche Komponente beim Screening geben“, sagte eine Beamtin.

Vorgesehen ist diesfalls ein „wirksamer und rascher Beschwerde- und Entschädigungsmechanismus“, mit dem sich User der Plattformen gegen das unrechtmäßige Löschen ihrer Videoclips oder sonstigen Inhalte wehren können. Übrigens: Die Richtlinie hält ausdrücklich fest, dass „Zitate, Kritik, Rezensionen, Karikaturen, Parodien und Nachahmungen“ erlaubt bleiben. Am Meme wird also nicht gerüttelt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.02.2019)

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