Regierung ignorierte Empfehlungen der Strafrechts-Taskforce

Die Presse
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Die Taskforce sprach sich unter anderem gegen die nun geplanten Verschärfungen beim Delikt Vergewaltigung aus und auch gegen den Ausschluss gänzlich bedingter Verurteilungen.

Zentraler Punkt des aktuellen Strafrechts- und Gewaltschutzpakets der türkis-blauen Bundesregierung ist die Anhebung der Mindeststrafe bei Vergewaltigung samt Ausschluss einer gänzlich bedingten Verurteilung. Experten übten daran Kritik, und auch in der "Taskforce Strafrecht" wurde dies nicht empfohlen, geht aus deren nun veröffentlichtem Bericht hervor.

Unter den mehr als 50 geplanten, am Mittwoch im Ministerrat behandelten Maßnahmen (http://go.apa.at/BUVKxbcF) stehen die zwei Jahre statt einem Jahr Mindeststrafe beim Delikt der Vergewaltigung ganz oben. Dass man dies einzuführen gedenke, hatten Innenminister Herbert Kickl (FPÖ), Justizminister Josef Moser und Staatssekretärin Karoline Edtstadler (beide ÖVP) schon im September 2018 angekündigt.

>> Karoline Edtstadler: "Strengere Strafen sind das Ziel" [premium]

Die in der Taskforce eingesetzte Kommission unter der Leitung von Justizministeriums-Generalsekretär Christian Pilnacek hatte hierfür allerdings keine Notwendigkeit gesehen, wie man dem entsprechenden Kommissionsbericht (http://go.apa.at/RaeoXVpx) entnehmen kann. Weder mehr Haft bei Vergewaltigung noch der Ausschluss der bedingten Haft findet sich darin. Ebenfalls nicht Teil der Empfehlungen war, weibliche Genitalverstümmelung (Female Genitale Mutilation, FGM) als eigenen Tatbestand ins Strafgesetz aufzunehmen. Dies geschah auf Wunsch von Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ).

Recht klare Abfuhr für Strafverschärfungen

Die Strafrechtskommission der Taskforce gab auch eine wissenschaftliche Evaluation über die Auswirkungen der erst 2015 erfolgten Strafrechtsänderung sowie der Novelle 2017 auf die Entwicklung der Strafenpraxis in Auftrag. Strafrechtsprofessor Christian Grafl erteilt darin dem Regierungsplan, das Strafrecht schon wieder zu verschärfen, eine recht klare Abfuhr (http://go.apa.at/PnSgdzrH).

Grafl sieht nämlich eine Tendenz zu einer strenger werdenden Strafenpraxis bei Vergewaltigung und anderen schweren Sexualdelikten, hält die wenigen Jahre seit der letzten Änderung aber als zu kurz für eine endgültige Beurteilung. Man rege an, "Auswirkungen umfassender Gesetzesänderungen, wie durch das StRÄG 2015 eingeführt, längerfristig zu beobachten, um eine sinnvolle Evaluierung der dort getroffenen Umgestaltungen zu ermöglichen, bevor neuerlich grundsätzliche Veränderungen überlegt werden", so die Conclusio der Studie.

(APA)

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