Die Opposition will dem Plan des Innenministers nicht zustimmen. Juristen finden die Idee einer Haft auf Verdacht problematisch.
Wien. Das Innenministerium möchte das Bundesverfassungsgesetz über den Schutz der persönlichen Freiheit ändern. Es soll ein neuer Haftgrund bei vermuteter Gefährlichkeit eines Asylwerbers eingeführt werden. Das Innenministerium erklärt, damit auf den Vorarlberger Fall (ein bereits in der Vergangenheit straffällig gewordener türkischer Asylwerber hatte einen Sozialamtsleiter erstochen) reagieren zu wollen. Die Opposition sieht ein Ablenkungsmanöver des Innenministers von Fehlern seiner Behörde in dieser Causa. Doch wie sieht die Sache rechtlich aus?
Schon jetzt gibt es im Gesetz Ausnahmen, bei denen jemand seine grundsätzlich zugesicherte Freiheit verlieren kann. Etwa, weil ein Gerichtsurteil umgesetzt wird (Gefängnis), weil jemand tatverdächtig ist oder eine ansteckende Krankheit hat. Auch Schubhaft, um jemanden nach einem gescheiterten Asylantrag in sein Heimatland zu bringen, ist kurzfristig erlaubt.
Gefährlichkeitsprognose als Haftgrund
Doch nun will das Innenministerium eine neue „fremdenrechtliche Haft“ schaffen. Sie soll wegen der Gefährdung der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung erfolgen. Und zwar, ohne dass eine Perspektive besteht, dass die betroffene Person überhaupt außer Landes gebracht werden kann.
Stellt ein potenzieller „Gefährder“ den Asylantrag, soll eine „Gefährdungsprognose“ erstellt werden. Dafür will man auf Recherchen im Internet und in Datenbanken sowie auf Angaben des Asylwerbers zurückgreifen. Wird eine Gefährlichkeit des Täters prognostiziert, soll dieser inhaftiert werden.
Rechtlich betrachtet bleiben bei diesem Plan aber noch einige Fragen offen. So müsste auch diese Haft einer richterlichen Kontrolle unterliegen, meint Bernd-Christian Funk von der Sigmund Freud Privatuniversität. Man müsste bereits im Verfassungsgesetz klar festlegen, unter welchen Umständen (etwa Gefahr schwerer Straftaten und nicht bloß leichter), die Haft ausgesprochen werden darf. Und überhaupt dürfe man nicht jemanden dauerhaft ohne Verurteilung in Haft halten, sagt Funk zur „Presse“.
„Man sollte die Finger davon lassen“, meint Juristenkollege Heinz Mayer zu Kickls Plan. Zu groß sei die Gefahr, dass ein unklares Gesetz entstehe. Die Frage, wann jemand als gefährlich eingestuft wird, sei schwer zu beantworten. Zudem dürften Asylwerber nicht strenger behandelt werden als Österreicher oder im Inland befindliche Urlauber. Auch diese müssten dann in Haft kommen, wenn es eine Gefährlichkeitsprognose gibt, sagt Mayer.
Und selbst wenn man das Verfassungsgesetz zur persönlichen Freiheit ändert, blieben noch andere rechtliche Schranken, wie die ebenfalls im Verfassungsrang stehenden Europäische Menschenrechtskonvention. Sie zählt zwar in Artikel fünf einige Umstände auf, unter denen das Recht auf Freiheit eingeschränkt werden darf, aber fraglich ist, ob Kickls Plan darunter fällt. Im Zweifel würde das für den Asylwerber günstigere Gesetz gelten, erklärt Verfassungsjurist Karl Stöger von der Uni Graz.
Realisiert werden dürfte Kickls Wunsch ohnedies nicht. Zwar schlug sich ÖVP-Staatssekretärin Karoline Edtstadler auf seine Seite. SPÖ, Neos und auch Liste Pilz aber erklärten, dem Vorhaben nicht zuzustimmen. Damit ist die Zwei-Drittel-Mehrheit für eine Verfassungsänderung nicht in Sicht.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.02.2019)