Chanel und Leberkäse

„Sunset in Niederlausitz“: Martin Grandits in seinem Atelier.
„Sunset in Niederlausitz“: Martin Grandits in seinem Atelier. (c) Michele Pauty (Michele Pauty)
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Martin Grandits ist genauer Beobachter des Alltags – und ein hilfsbereiter Fixstern der jüngeren Wiener Szene. Jetzt gibt ein Buch Einblick in seine Welt.

Man könnte an dieser Stelle damit beginnen, in welchen Sammlungen Martin Grandits' Arbeiten vertreten sind. Allein, Grandits will das nicht. Das würde ja so ausschauen, als sei er ein Angeber, sagt er. Und ein Angeber ist er wirklich nicht. Eher einer, der andere ermutigen will. „Man ist ja immer selbst sein größter Kritiker, sein größter Feind.“

Vor Kurzem hat Martin Grandits ein neues Atelier im 15. Bezirk bezogen. Freunde haben hier eine Autowerkstatt und ihm ein Stockwerk zur Verfügung gestellt, am Boden sieht man noch die ringförmigen Spuren der Autoreifen. Über ihm liegt ein Kampfsportklub, einer der Stars dort ist mit ihm in die Schule gegangen. Der Raum ist mit Arbeitsutensilien übersät, dominiert wird er von einem Bild: einem Sonnenaufgang – und einem Sonnenuntergang. Anders genannt: „Die Traurigkeit“.

Grandits hat ein Gespür dafür, auch für den Schmerz der anderen. Dass er eine Weile zur Arbeit in sein Atelier braucht, stört ihn nicht. „Beim U-Bahn-Fahren oder in der Bim habe ich Zeit zum Nachdenken. Bewegung ist wichtig, um einen klaren Kopf zu bekommen. Man sieht die Stadt und die Leute, lauscht mit, wenn sich die älteren Herren unterhalten, spürt das Befinden der Menschen, ihren Grant.“

Witz als Technik

Martin Grandits, Jogginghose, Volkshilfe-Pullover, Jahrgang 1982, ist „gebürtiger Wiener mit südburgenländischem Migrationshintergrund“. Seine Eltern stammen aus dem gleichen kroatischen Dorf, trafen sich an jenem Würstelstand, an dem seine Mutter arbeitete, wieder. Er wuchs am Gürtel auf, sein Spielplatz war der Frachtenbahnhof. „Einer der hässlichsten Orte Europas, und am Wochenende eine Wildnis, es gab ur viel zu entdecken.“

Gezeichnet hat er „schon als Kleinstkind“. Zur Aufnahmsprüfung an der Angewandten erschien er freilich ein wenig verkatert, sodass man sich erkundigte, ob er sicher sei, hier richtig zu sein. Den Test versah er in Eigenregie mit Multiple-Choice-Antworten. Er sei auf der Uni dann „ein bissl schlimm“ gewesen. Aber auch einer mit einer klaren Obsession für die Kunst, die, so glaubt er, seiner Professorin Brigitte Kowanz gefallen habe.

Womit er sich seit seiner Uni-Zeit beschäftigt hat, das zeigt nun ein eben erschienenes Buch. Dieses war ihm ein Bedürfnis, „weil man oft nur mit wenigen Arbeiten wahrgenommen wird“. In seinem Fall etwa: der ironischen Semmel mit der fetten Leberkässcheibe aus Gips. Mit der Publikation will er „zeigen, dass noch viel mehr da ist“. Ideen, die er (noch) nicht realisieren konnte. Neuinterpretationen von Denkmälern, ein Herbert-Prohaska-Memorial. „In dem Moment, in dem sie abgedruckt sind, sind sie real.“ Die Reflexion sei nicht leicht gewesen. „Man drückt sich ja auch ein bisschen vor der Frage: Was habe ich gemacht?“

Für das Buch gab er dem Schriftsteller Fahim Amir bei einem nächtlichen Gespräch Einblick in seine Welt, erzählt vom Kind, das sich für die Schwachen prügelte, als einziges seiner Klasse ins Gymnasium kam, das absichtlich schlechte Noten schrieb, Zeit in der Psychiatrie verbrachte, eine Bande gründete, zu sprayen begann.

Auf ein Medium lässt er sich nicht festlegen. Wichtige Technik ist ihm „der Witz, der aber bitter ist“. Rapper Yung Hurn sei ein „partner in crime“. „Er hat einen ähnlichen Humor und gleichzeitig etwas Tiefes, Sentimentales.“ Mit Satire lasse sich mit allem besser umgehen, auch mit sich selbst. Grandits nimmt sich selbst nie aus, nichts liegt ihm ferner als der Zeigefinger, wenn er sich mit Konsumwahn, Trends und Supermärkten beschäftigt, mit Logos, Werbung, Typografien spielt. Selbst gebastelte Designer-T-Shirts halfen ihm einst, in Clubs zu kommen. Heute ist „Chanel pour Clochard“, Chanel für Penner, Kult.

ZUR PERSON

Martin Grandits (geb 1982). Sein Vater war Polizist, seine Mutter arbeitete im Labor. Studium an der Angewandten in der Klasse Transmediale Kunst bei Brigitte Kowanz. Das Buch „Grandits“ (mit Fahim Amir) wird am 13. März, um 18 Uhr, im Loos-Haus präsentiert. Vom 10. bis 22. September zeigt das Kunstforum „neue Werke“ im Tresor.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.02.2019)

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