Kirgisistan: Gestürzter Präsident will freies Geleit

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Bakijew bot für Straffreiheit Rücktritt an, die neue Regierung erteilte eine Absage: Über Straffreiheit für einen „blutigen Diktator“ wolle man nicht mehr verhandeln.

Wien/Jalalabad. Dienstagfrüh ließ Kirgisistans gestürzter Präsident Kurmanbek Bakijew in seiner Heimatstadt Jalalabad die Muskeln spielen. Es sollte das letzte Mal sein.

„Ich werde mich nicht ergeben“, rief er vor 7000 Unterstützern, umringt von den Aksakal, männlichen Clanälteren mit ihren weißen Filzhüten, deren Beistand so wichtig ist, weil ihr Wort in der kirgisischen Gesellschaft viel zählt. Ringsum sicherten Transparente dem Präsidenten bedingungslose Gefolgschaft zu: „Der Präsident ist unschuldig“ hieß es da, oder: „Nicht Bakijew hat geschossen, sondern die Opposition“.

Ein paar Stunden später dann Bakijews Kehrtwendung – da half auch das Wort der Aksakal nichts: Er sei zum Rücktritt bereit, ließ Bakijew am Abend verlauten. „Ich werde in den Ruhestand gehen, wenn mir und meinen Angehörigen Sicherheit garantiert wird.“ Sein 32-jähriger Sohn Maksim, einst als möglicher Nachfolger gehandelt, soll sich bereits in Lettland aufhalten.

Bakijew bat Rosa Otunbajewa, die Chefin der neuen Übergangsregierung, zu einem Gespräch in die südliche Region nach Jalalabad, in die er nach den Ausschreitungen vor einer Woche geflüchtet war. Doch in der Hauptstadt Bischkek gab man sich zunächst unnachgiebig: Über Straffreiheit für einen „blutigen Diktator“ wolle man nicht mehr verhandeln. Bakijew werden die mehr als 80 Toten der Vorwoche zur Last gelegt.

„Spezialoperation“ angedroht

Die Übergangsregierung in der Hauptstadt hatte zuletzt den Druck auf den gestürzten Präsidenten verstärkt. Man habe die Aufhebung seiner Immunität veranlasst, hieß es; mit einem Strafverfahren, ja sogar mit einer „Spezialoperation“ zu seiner Ergreifung drohte man Bakijew, sollte der sich nicht ergeben und im Süden weiterhin Stimmung gegen die neuen Machthaber in der Hauptstadt machen.

Otunbajewas Übergangsregierung hat nun zumindest ein Problem weniger: Mit Bakijews offiziellem Rücktritt wachsen die Chancen für die internationale Anerkennung des Regimes. Der ranghohe US-Diplomat Robert Blake wird noch diese Woche in Bischkek erwartet, um mit Otunbajewa über den Betrieb der US-Militärbasis Manas zu verhandeln.

Auch die unmittelbare Gefahr eines bewaffneten Konflikts zwischen dem Süden und dem Norden, also zwischen den Anhängern des alten und des neuen Regimes, dürfte nun gebannt sein.

Die Nord-Süd-Spaltung des Landes ist indes nichts Neues. Ein Grund für die gegenläufigen Interessenlagen ist die unterschiedliche Entwicklung der beiden Regionen. Der russisch geprägte Norden ist stärker industrialisiert; der Süden gilt als rückständig und weniger entwickelt.

Die großen Städte des Südens, Osch und Jalalabad, liegen im fruchtbaren, agrarisch geprägten Ferganatal. Fast die Hälfte der Bevölkerung in den Regionen Osch und Jalalabad sind Usbeken. Die Gesellschaft des Ferganatals ist konservativer, der Islam hat einen größeren Einfluss.

Gab es früher handfeste Streitereien zwischen den Clans des Nordens und des Südens, verstehen es heutzutage die Politiker, ihre regionale Zugehörigkeit und Familienstrukturen für politische Netzwerke zu instrumentalisieren.

Bakijew ist nicht der Erste, der wegen des Vorwurfs der Vetternwirtschaft abgesetzt wurde. Auch Askar Akajew, der als Präsident des Nordens galt, soll seine Verwandten und Verbündeten in hohe Ämter gehievt haben. Akajew sitzt seit der „Tulpenrevolution“ 2005 im russischen Exil. Bakijew droht nun – im besten Fall – ein ähnliches Schicksal.

AUF EINEN BLICK

Kurmanbek Bakijew, der gestürzte Präsident des zentralasiatischen Kirgisistan, bot am Dienstag erstmals seinen Rücktritt an. Im Gegenzug verlangte er Sicherheitsgarantien für sich und seine Angehörigen, die Übergangsregierung lehnte jedoch ab. Bakijew war nach einem Aufstand vergangene Woche in seine Heimatstadt Jalalabad geflohen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.04.2010)

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