Außenministerium prüft Rückkehr von IS-Anhängerin nach Österreich

Außenministerin Karin Kneissl will einzelne Fälle von IS-Rückkehrern prüfen.
Außenministerin Karin Kneissl will einzelne Fälle von IS-Rückkehrern prüfen.APA/ROLAND SCHLAGER
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Außenministerin Kneissl sieht "prioritäre Fälle", zum Beispiel wenn kleine Kinder im Spiel sind. Ein Fall einer Wienerin mit Kind in einem kurdischen Lager wird diskutiert.

Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) hat sich zurückhaltend zur Forderung des US-Präsidenten Donald Trump gezeigt, dass Europa IS-Kämpfer zurücknehmen müsse. Es sei in den Überlegungen jeder einzelnen Regierung, in klarer Abstimmung mit den Sicherheitsbehörden zu handeln, dies gelte auch für Österreich, sagte Kneissl am Montag vor Beratungen der EU-Außenminister in Brüssel.

"Es gilt, jede einzelne Biografie klar anzusehen", sagte Kneissl. So hätten sich 2014 eine Reihe junger Frauen aus Österreich der Terrormiliz "Islamischer Staat" angeschlossen. Es gebe prioritäre Fälle, etwa wo es um ein zweijähriges Kind gehe, "hier greifen Überlegungen der konsularischen Schutzpflicht", sagte Kneissl.

Es handle sich dabei um eine junge Frau, die vor vier Jahren von Wien nach Syrien ausreiste, um sich dem IS anzuschließen, bestätigte ein Sprecher des Außenamtes entsprechende Medienberichte gegenüber der Austria Presse Agentur. Die heute 20-Jährige wurde von einem afghanischen IS-Kämpfer schwanger. Momentan befindet sie sich mit ihrem mittlerweile eineinhalb Jahre alten Sohn in kurdischer Haft, wie die ORF-Sendung "Wien heute" und die Tageszeitung "Österreich" am Wochenende berichteten. Jetzt wolle sie zurück nach Österreich.

Grundsätzlich nehme Österreich seine Staatsbürger zurück. Man sei gerade dabei, die "praktischen Möglichkeiten einer Rückholung" zu prüfen, so der Außenministeriumssprecher. Dabei gehe es auch um das Kindeswohl. Aktuell sei das aber der einzig bekannte Fall, wo es um die Rückholung österreichischer Staatsbürger gehe, betonte der Sprecher.

"Die genaue Zahl schwankt"

Wie viele IS-Kämpfer aus Österreich in Syrien sind, könne man nicht sagen, so Kneissl, "die genaue Zahl schwankt". Österreich habe aber eine "unverhältnismäßig hohe Zahl" gemessen an seiner Bevölkerung - so wie Dänemark und Belgien auch. Man wisse, dass einige IS-Kämpfer ums Leben gekommen seien. Sie habe mit dem US-Sondergesandten James Jeffrey das Thema auch in München erörtert. Die Drohung Trumps, Kämpfer wieder freizulassen, wenn die Europäer sie nicht aufnehmen, sei dort nicht so gefallen, Kneissl kann dies "nicht nachvollziehen".

Grundsätzlich appellierte Kneissl, mit den USA im Dialog zu bleiben. Die Partnerschaft der Europäer mit den USA sei viel zu wichtig, als dass man sie in Frage stellen könne. Zu den drohenden US-Strafzöllen auf europäische Autos meinte sie: "Wir wissen, dass das Thema auf der Agenda bleibt." Es habe immer wieder Höhen und Tiefen in den transatlantischen Beziehungen gegeben.

Mehrere Länder lehnen Rücknahme ab

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini sagte, die EU-Außenminister könnten dazu bereits heute eine Diskussion führen. Sie verstehe Trumps Aufforderung aber so, dass sich der Appell an die EU-Mitgliedstaaten richte. Deutschland hält die Forderung der USA für "außerordentlich schwierig zu realisieren". Eine Rückkehr sei nur möglich, "wenn sichergestellt ist, dass diese Menschen hier sofort auch einem Verfahren vor Gericht zugeführt werden", meinte Außenminister Heiko Maas.

Frankreich will trotz Trumps Forderung auf absehbare Zeit keine französischen IS-Kämpfer aus Syrien einreisen lassen. "Wir ändern unsere Politik derzeit nicht", sagte Justizministerin Nicole Belloubet dem TV-Sender France 2. Frankreich hat die Einreise von IS-Kämpfern und ihren Frauen bisher strikt abgelehnt, Paris stuft diese als "Feinde" Frankreichs ein. Ausnahmen gab es in Einzelfällen für Minderjährige. 

Frankreichs Außenminister Jean-Yves-Le Drian sagte, es falle derzeit zwar die letzte Bastion der Terrormiliz IS in Syrien. Dies bedeute aber noch nicht, dass es dann Frieden gebe. Für einen dauerhaften Frieden und für den Wiederaufbau brauche es einen politischen Prozess.

EU-Staaten eher ablehnend

Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn warnte Trump vor einem völligen Bruch mit Europa. In einer Partnerschaft könne es keine "Befehlsgeber und Befehlsempfänger" geben, sagte Asselborn am Montag am Rande eines EU-Treffens in Brüssel. "Sonst zerbricht die Partnerschaft." Auch sei es ein Problem, dass Trump über den Kurznachrichtendienst Twitter Forderungen stelle, erklärte der derzeit dienstälteste EU-Außenminister. "Twitter hin und her schicken, das hat keinen Sinn."

Auch Dänemark winkte ab: "Es handelt sich um einige der gefährlichsten Menschen der Welt, und wir sollten sie nicht zurücknehmen", sagte Michael Aastrup Jensen, außenpolitischer Sprecher von Premier Lars Løkke Rasmussen.

Seit Dezember sind Zehntausende Angehörige von Jihadisten aus der letzten IS-Bastion im Osten Syriens geflohen und haben sich den Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) ergeben. Unter den Gefangenen sind auch viele europäische Jihadisten mit ihren Frauen und Kindern. In Syrien steht der IS kurz vor einer militärischen Niederlage.

(APA/Reuters/AFP/dpa)

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