Für seinen Besuch im Weißen Haus hat Sebastian Kurz ein heikles Thema im Gepäck: Der transatlantische Handelskonflikt bedroht auch Österreich.
Viel Zeit haben die Herren nicht zum Plaudern. Aber eines wird, das hat Bundeskanzler Sebastian Kurz vor seinem heutigen Treffen mit dem US-Präsidenten im Weißen Haus schon angedeutet, jedenfalls eine zentrale Rolle spielen: der drohende Handelskrieg Europa – USA.
Das könnte spannend werden: Trump hat ja eben erst eine Verzehnfachung der Zölle (von 2,5 auf 25 Prozent) auf Autoeinfuhren aus der EU angedroht, Brüssel hat entsprechende Gegenmaßnahmen in den Raum gestellt. Und da das noch nicht Eskalation genug ist: Deutschland hat soeben für 2018 erneut den mit Abstand höchsten Leistungsbilanzüberschuss (460 Mrd. Euro) der Welt bekannt gegeben. Was in dem Land mit dem mit Abstand größten Leistungsbilanzdefizit dieses Globus (455 Mrd. Dollar) die gern gepflegte Theorie von den unfairen Handelspraktiken, mit denen die Europäer ihre Waren in den US-Markt drücken, untermauert.
Das ist zwar nicht unbedingt ein bilaterales Thema. Aber Kurz, der sich in diesem Punkt im Vorfeld mit EU-Kommissionschef Jean Claude Juncker abgesprochen hat, ist hier nicht ganz ohne Eigennutz als Europäer unterwegs. Denn Österreich wäre von diesem Rückfall in mittelalterliche Zollwegelagerei empfindlich betroffen. Nicht nur, dass Fahrzeuge und Fahrzeugteile gut ein Zehntel der heimischen US-Exporte ausmachen, ist die österreichische Autoindustrie auch noch sehr stark im Zuliefergeschäft mit den deutschen Autoherstellern engagiert.
Und diese sind das Hauptziel des jüngsten Anti-Europa-Vorstoßes des erratischen US-Präsidenten. Wenn hier die Zolleskalation zu dem von Experten befürchteten Rückgang der deutschen Autoexporte in die USA führt, dann ist auch bei den heimischen Zulieferbetrieben ganz schnell die eine oder andere Umsatzmilliarde samt den dazugehörenden Jobs weg.
Natürlich kann man da den Amerikanern nicht die Alleinschuld zuschreiben. Auch die EU ist ja, entgegen ihrer etwas verklärten Eigensicht, nicht unbedingt ein Hort des ungehinderten Freihandels. Warum zum Beispiel auf US-Autos in Europa zehn Prozent Zoll fällig werden müssen, während europäische Autos in den USA (noch) mit lediglich 2,5 Prozent verzollt werden müssen, hat bisher jedenfalls noch niemand schlüssig erklären können. Und dass die EU den (wohl nicht ganz ernst gemeinten) Trump-Vorschlag, gleich alle Zölle abzuschaffen, brüsk zurückgewiesen hat, statt den Ball geschickt aufzunehmen und elegant zurückzuschlenzen, war auch nicht gerade ein taktisches Meisterstück.
Das Ergebnis ist jedenfalls eine Eskalation bei den Zolldrohungen und eine transatlantische Klimavergiftung, die sich auch außerhalb des Handelsbereichs immer stärker bemerkbar macht.
In einer solchen Situation spielen rationale Argumente eine immer geringere Rolle. Nüchtern betrachtet hätten sich die Amerikaner beispielsweise die erste Zwischenbilanz ihrer „America first“-Politik per Zollschranken anschauen und darüber nachdenken können. Sie sieht nämlich durchaus interessant aus: Im Februar vorigen Jahres waren gegen eine Reihe von chinesischen Produkten im Handelswert von 250 Mrd. Dollar heftige Strafzölle verhängt worden. Mit dem Ziel, US-Produkte gegen die nach Ansicht der Trump-Administration unfair in den US-Markt gedrückten Waren zu begünstigen.
Und das Ergebnis? Der ohnehin schon große Handelsüberschuss Chinas ist nach Verhängung der Zölle weiter gestiegen. Ökonomen überrascht das nicht: Zölle sind im Allgemeinen kein besonders wirksames Mittel gegen Handelsungleichgewichte. Sie schaden allerdings – wegen der Behinderung des Warenaustauschs und der Störung globaler Wertschöpfungsketten – der Wirtschaft auf beiden Seiten enorm.
Die Drohung damit ist derzeit zweifellos das größte transatlantische Problem. In den fünf oder zehn Minuten, die beim Kurz/Trump-Gespräch dafür zur Verfügung stehen, wird sich das nicht einmal ansatzweise lösen lassen. Aber es ist wichtig, in diesem Thema zu einer vernünftigen Gesprächsbasis zu kommen. Und dazu gehört eben auch die persönliche Ansprache.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2019)