Tatort Autobahnrastplatz

Mehrere Lkw stehen auf einer Rastanlage an der Autobahn 1 in der N�he von K�ln Lkw Parkplatz
Mehrere Lkw stehen auf einer Rastanlage an der Autobahn 1 in der N�he von K�ln Lkw Parkplatz(c) imago/Manngold
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Frachtdiebstahl. Allein im Vorjahr entstand ein Schaden von rund acht Milliarden Euro. Mit verschiedenen Maßnahmen lässt sich das Diebstahlrisiko minimieren.

Ein präpariertes Auto fährt von hinten an den fahrenden Lastzug. Bei voller Fahrt klettert der Beifahrer vom Autodach auf die Motorhaube. Dort stehend, bricht er die Heckklappe des Lastzugs auf und stiehlt die Ladung. Truck Robbery oder Romanian M.O. wird diese Vorgehensweise, die an einen Actionfilm erinnert, genannt. Wenn auch nicht Alltag, so ist sie doch Realität auf internationalen Fernverkehrsstrecken. Dass Fracht verschwindet, ist allerdings Alltag. „Frachtdiebstahl ist ein großes Thema, das mehr Aufmerksamkeit erfordert“, sagt Arnd Hoppe, Head of HSEQ Management and Compliance, beim Logistikspezialisten Gebrüder Weiss. Allein im Vorjahr habe es im Bereich Cargo Crime einen weltweiten Verlust von rund acht Milliarden Euro gegeben.

Banden gut organisiert

Als besonders gefährlich gelten in Europa etwa Großbritannien, die Niederlande, Deutschland sowie vereinzelt Länder im osteuropäischen Raum. Die meist als Banden agierenden Täter sind nicht besonders wählerisch. „Sie stehlen alles, was schnell wieder verkauft werden kann“, weiß Christoph Schrötter, Geschäftsführer der auf Transportversicherungen spezialisierten Versicherung W. Droege. Hochwertige Textilien, Autoersatzteile, Elektrogeräte, aber auch Buntmetalle und Lebensmittel sowie vieles mehr seien demnach bereits kurz nach der Tat auf diversen Handelsplattformen im Internet zu finden. Zufällig gestohlen wird übrigens kaum eine Ladung. „Die Gruppen sind gut organisiert und wissen genau, wann welche Ladung wo rausgeht“, erzählt Schrötter. Etwa, indem sie einen Trojaner in das IT-System des entsprechenden Logistikunternehmens geschleust haben.

In der Regel gehen die Coups nicht so spektakulär über die Bühne wie eingangs geschildert. Meist wird die Plane des Lkw aufgeschlitzt, während der Fahrer schläft, und die Ladung in ein in der Nähe parkendes Fahrzeug umgeladen. Aber auch Sattelauflieger und ganze Lkw verschwinden immer wieder. „Onlinefrachtbörsen befeuern dieses Phänomen“, sagt Peter Tropper, Geschäftsführer des Fachverbands für das Güterbeförderungsgewerbe. Denn dort gebe es immer wieder schwarze Schafe, die die Börsen dazu nutzen würden, um leicht an Fracht heranzukommen und mit dieser zu verschwinden. Wer solche Plattformen dennoch nutzen möchte, sollte Vorsicht walten lassen, rät Versicherungsexperte Schrötter: So sollte der Frächter den von ihm geschickten Fahrer beim Auftraggeber vorab anmelden. Dieser wiederum sollte die Identität des Fahrers und die von ihm vorgelegten Abholpapiere prüfen.

Routenplanung und moderne Technik

Grundsätzlich machen die großen Logistiker mit einer ganzen Reihe von Maßnahmen gegen den zunehmenden Ladungsdiebstahl mobil. Das beginnt bei der Verwendung von Kofferaufbauten statt Planen und geht bis zur Routenplanung. „Es kommt beispielsweise vor, dass Auftraggeber manche Strecken aus Sicherheitsgründen ablehnen. Darauf muss bei der Disposition geachtet werden“, betont Schrötter. Neben diesen Vorgaben sind bei der Routenplanung die Arbeitszeitvorschriften und in diesem Zusammenhang die Verfügbarkeit von sicheren Parkplätzen zu beachten. Zäune, Videoüberwachung, Zufahrtskontrollen und vieles mehr schützen dort Mensch und Ladung. Denn vor allem auf ungesicherten Parkplätzen sind Lkw und ihre Fracht gefährdet. In sieben von zehn Fällen sind nach Angaben der Transportsicherheitsvereinigung Tapa ungesicherte Abstellplätze Schauplätze eines Frachtdiebstahls. In Deutschland beispielsweise ist so mancher Autobahnparkplatz oder Autohof bei Spediteuren auf einer roten Liste gelandet und wird nicht mehr angefahren. „In Österreich hingegen sind die Parkplätze in der Regel meist sicher“, weiß Hoppe. Zuweilen hilft auch moderne Technologie: Ortungstechnik, Diebstahlwarnanlagen oder Wegfahrsperren kommen dabei beispielsweise zum Einsatz. „Wir haben eine Abteilung, die unsere Transporter rund um die Uhr beobachtet, um im Fall eines Vorfalls schnellstmöglich reagieren zu können“, erzählt Hoppe. Unumgänglich ist ihm zufolge außerdem die Schulung der Mitarbeiter. Dafür wurde eine eigene Onlineschulung geschaffen. Versicherungsexperte Schrötter hat einen weiteren Tipp parat: eine unauffällige Verpackung. „Eine Zeit lang wurde hochwertige Ware in schwarze Folie eingepackt. Das hat sich bald herumgesprochen“, erzählt er. Jetzt wird auch sie meist in neutralen Verpackungen transportiert.

INFO

Die Vereinigung Tapa(Transported Asset Protection Association) ist ein Zusammenschluss von internationalen Herstellern, Logistikdienstleistern, Frachtunternehmen, Strafverfolgungsbehörden und anderen Beteiligten mit dem gemeinsamen Ziel, Verluste in der internationalen Lieferkette zu reduzieren. Mit mehr als 600 Mitgliedern vereint es sowohl viele der weltweit führenden Markenerzeuger als auch deren Logistik- und Transportunternehmen mit einem gemeinsamen Jahresumsatz von mehr als 900 Milliarden US-Dollar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2019)

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