Spiegel statt Abbiegeassistent

PK OeAMTC 'TOTER WINKEL LKW'
PK OeAMTC 'TOTER WINKEL LKW'APA/HANS KLAUS TECHT
  • Drucken

Norbert Hofers Sicherheitsgipfel bringt keinen verpflichtende Einbau von Abbiege-Assistenzsystemen. Stattdessen kommen Spiegel – oder Schulungen für Kinder.

Wien. Der vielfach geforderte verpflichtende Einbau von Abbiege-Assistenzsystemen für Lkw und die Pflicht, alte Lkw nachzurüsten kommt nicht. Der von Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) nach dem Unfalltod eines Neunjährigen in Wien initiierte Gipfel zur Lkw-Sicherheit brachte da keine Lösung – aber alternative Sicherheitsmaßnahmen, die Hofer umsetzen will.

Er überlegt etwa zusätzliche Assistenzspiegel an gefährlichen Kreuzungen, die das Abbiegen sicherer machen sollen. Auch sei an gefährlichen Kreuzungen eine andere Ampelschaltung (kein zeitgleiches Grün für Fußgänger und abbiegende Fahrzeuge) oder ein Versetzen von Zebrastreifen möglich.

„Technisch nicht machbar“

Wo eine Kreuzung dennoch nicht sicher ist, seien auch Rechtsabbiegeverbote für LKW möglich. Eine parlamentarische Beschlussfassung über Änderungen in der Straßenverkehrsordnung soll bis zum Sommer stattfinden – eine Umsetzung soll vor Start des Schuljahres im Herbst erfolgen. Im Verkehrsbeirat soll ein Fokus auf Schwerverkehr gesetzt werden, auch sollen eigene Parkplätze, etwa auf Asfinag-Parkplätzen, eingerichtet werden, auf denen Lkw-Fahrer ihre Spiegel einrichten können. Auch soll mehr in Schulungen von Schulkindern investiert werden, zusätzlich soll eine Info-Kampagne zum toten Winkel starten. Alles das soll rasch umgesetzt werden, so Hofer.

Warum verpflichtende Abbiegeassistenzsysteme für Lkw nicht kommen, argumentiert Hofer damit, dass das technisch noch nicht machbar sei. Bisherige Systeme seien nicht ausgereift genug – so habe man von der MA48 etwa gehört, so Hofer, dass diese Systeme im Praxisbetrieb ständig anschlagen würden, nicht nur wenn Menschen im Gefahrenbereich sind. „Wir machen das zum frühestmöglichen Zeitpunkt“, so Hofer. Bis dahin solle „jede einzelne Kreuzung“ entschärft werden.

Dennoch sorgen die Ergebnisse des Gipfels für massive Kritik: Helge Fahrnberger, der Initiator der Petition zur Einführung eines verpflichtenden Lkw-Abbiegeassistenten, meinte, er sei „erschüttert. Die schlimmsten Befürchtungen sind übertroffen worden“. Via Twitter stellt er in Frage, warum Hofer sagt, diese Systeme seien unausgereift, während diese, wie Nachrüstsysteme, bereits millionenfach verkauft werden.

Wiens Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou (Grüne) betonte, der Gipfel „war nett, aber nett ist nicht genug“. Die Nutzfahrzeugimporteure und der Fachverband der Fahrzeugindustrie begrüßten dagegen die Resultate. Vom Öamtc heißt es, die Maßnahmen zur Verkehrssicherheit seien wichtig, Ziel bleibe aber der Einbau von Abbiege-Assistenten.

Schulkinder beim Minister

Im Vorfeld des Gipfels hatten am Dienstag Schulkollegen des getöteten Neunjährigen eine Petition mit 68.620 Unterschriften für eine möglichst rasche Einführung von Lkw-Abbiegeassistenten an Verkehrsminister Hofer übergeben.

„Lieber Herr Hofer, schützte uns vor dem toten Winkel“ und „mach die Lastwagen sicherer“ forderten die Kinder dritten Klasse der Volksschule Landstraßer Hauptstraße. „Wir werden uns sehr anstrengen“ versprach Hofer den Schülern. Vor allem der Unfalltod ihres Klassenkameraden hatte zu einem großen Aufschrei für mehr LKW-Sicherheit gesorgt. Allein 2018 haben 14 Fußgänger und Radfahrer bei Unfällen mit Lkw ihr Leben verloren. Erst zuletzt ist es wieder zu Unfällen mit Schwerfahrzeugen gekommen:

Am Dienstag wurde in Wiens Innenstadt in der Fütterergasse ein Mann, zwar nicht von einem Lkw, aber einem Kastenwagen, beim Zurückschieben erfasst und getötet. Der 80-Jährige starb am Unfallort. Am Freitag wurde am Schottenring eine 39-Jährige, die mit ihrem Lastenrad, darin zwei Kinder, unterwegs war, von einem rechts abbiegenden Lkw niedergestoßen. Der Unfall ging glimpflich aus.

Für einen verpflichtenden Einbau von Assistenzsystemen hatten sich Verkehrsexperten der TU, Verkehrsclub Österreich, Radlobby, Öamtc, Stadt Wien, Wiener Wirtschaftskammer, Elternvertreter, Kuratorium für Verkehrssicherheit, SPÖ, Neos und Grüne oder Lkw-Fahrer-Gewerkschafter ausgesprochen. Die Wirtschaftskammer Österreich war dagegen.(cim)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2019)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Der aufgerüstete LKW auf einem Bild des Rathaus-Pressedienstes.
Wien

Erster Lkw der Wiener Verkehrsabteilung mit Abbiegeassistent aufgerüstet

An einem LKW der MA28 wurde ein System mit vier Ultraschallsensoren installiert. Stadträtin Vassilakou übt Kritik an Minister Hofer.
Abbiegeassistenten sollen Lkw-Fahrer auf mögliche Gefahren aufmerksam machen.
Europa

EU-Parlament beschließt verpflichtenden Abbiegeassistenten für Lkw

Neue Lkw müssen ab 2022 mit dem Abbiegeassistenen ausgestattet sein, um etwa Fußgänger im toten Winkel zu erkennen.
Archivbild: Die Stadt fördert Maßnahmen für sichere Schulwege mit einer zusätzlichen Million Euro
Wien

Vassilakou verspricht eine Million Euro zusätzlich für sichere Schulwege

Wiens Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou kündigt gegenüber der „Presse“ eine Million Euro für die Bezirke an: Mit dem Geld sollen Schulwege aufgerüstet und sicherer gemacht werden.
NATIONALRAT: HOFER (FPOe)
Österreich

Lkw-Sicherheit: Kritik am Zögern des Verkehrsministers

SPÖ, Neos und die Liste Jetzt sind sich in Sachen Lkw-Sicherheit einig: Lkw müssen mit Abbiegeassistenten ausgestattet werden. Verkehrsminister Hofer agiere mit Ausreden und schiebe die Verantwortung ab.
Die Kritik an Verkehrsminister Norbert Hofer wächst.
Österreich

Abbiegeassistent: Opposition ortet „Ausreden“

Die Kritik am dünnen Ergebnis des Lkw-Sicherheitsgipfels hält an. Ein Mitschnitt legt nahe, dass das schon vor dem Treffen feststand. Nun werden die Lkw Thema im Parlament.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.