Wie sich Sebastian Kurz im Weißen Haus schlug

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Der Kanzler bekam in Washington viel Aufmerksamkeit als junges und neues Gesicht in der EU. In der für Donald Trump zentralen Handelsfrage scherte er nicht aus der EU-Front aus.

Der Empfang für Sebastian Kurz im Weißen Haus geriet betont freundlich, wie auch die Körpersprache des US-Präsidenten verriet. Angela Merkel hatte bei ihrem Antrittsbesuch eher das Gegenteil erlebt. Donald Trump wollte Europas jüngsten Regierungschef kennenlernen, von dem die US-Botschafter in Wien und Berlin geradezu schwärmen - und dem "Time" und "Newsweek", die längst nicht mehr so bedeutenden Magazine, kürzlich Titelstorys gewidmet haben.

Nur für den irischen Premier als Regierungschef eines vergleichsweise kleinen Staates - mit einer wichtigen irischstämmigen Klientel in den USA - rolle das Weiße Haus rund um den St. Patrick's Day Mitte März in ähnlicher Weise den roten Teppich aus, notierte die "New York Times". Tatsächlich war das Interesse an dem "young guy from Austria", fünf Jahre jünger als Ivanka Trump, groß. Die "Washington Post" lud ihn zum Abschluss der Visite noch zu einem Hintergrundgespräch.

Hochkarätige Gesprächspartner

Vizepräsident Mike Pence, Sicherheitsberater John Bolton und Außenminister Mike Pompeo - zum zweiten Mal innerhalb von 24 Stunden - stießen zu den Beratungen mit der österreichischen Delegation dazu. Dass Kurz zu der Ehre eines privaten Abendessens bei Ivanka Trump und ihrem Mann, Jared Kushner, kam - eingefädelt von US-Botschafter Trevor Traina -, war gewissermaßen die Krönung der Washington-Visite.

Der US-Präsident sieht in Kurz als Chef einer rechten Koalition offenbar einen neuen Ansprechpartner in der EU. Der Kanzler befürchtete vor seiner Abreise, der US-Präsident könnte just am Tag des Besuchs Strafzölle für deutsche Autoimporte verhängen, mit schwerwiegenden Folgen auch für die österreichische Zulieferindustrie. Das Schreckensszenario blieb aus. Kurz hatte sich zuvor auch mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker abgestimmt.

Donald Trumps Mantra

In Handelsfragen blieb Sebastian Kurz hart. Er ließ sich nicht aus der europäischen Front gegen Handelsschranken herauslösen. Nach der Unterredung mit Trump sprach Kurz denn auch davon, dass es Trump insbesondere auf Deutschland "abgesehen" habe, und insgesamt von einem "kontroversiellen" Gespräch. Im Diplomatendeutsch steht dies für eine robuste Auseinandersetzung. Auch bei der Forderung nach einer Erhöhung der Verteidigungsausgaben - ein Mantra Trumps gegenüber den Europäern - wich der Kanzler nicht von der Position des Regierungschefs eines neutralen Staates ab.

Kurz ging nach dem Treffen öffentlich etwas auf Distanz zu Trump. Er wollte nicht den Eindruck vermitteln, sich von dem US-Präsidenten vereinnahmen zu lassen. Es war von Anfang an ein Balanceakt, den richtigen Ton im Umgang mit dem unorthodoxen, in Europa unbeliebten Präsidenten zu finden. Das Migrationsthema spielte in den einstündigen Konsultationen im Übrigen - für manche überraschend - gar keine Rolle.

Der Kanzler will Österreich offensichtlich als Mittler zwischen Russland und den USA positionieren. Für ihn hinterließ die erste Tuchfühlung mit Donald Trump das Fazit, dass man in Kontakt bleiben werde - womöglich mit der Option, Wien neuerlich als Gipfelort für Trump und Wladimir Putin ins Spiel zu bringen. Kurz kann den Besuch im Weißen Haus auch abseits der hübschen Bilder vor dem Kamin im Oval Office als Erfolg verbuchen. Die Aufmerksamkeit, die ihm als Regierungschef eines Kleinstaates zuteil wurde, war außergewöhnlich. Jetzt kommt es darauf an, daraus diplomatisch und wirtschaftlich Kapital zu schlagen.

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